Ich versprach dir die Liebe: Roman (German Edition)
nehmen.
»Du musst akzeptieren, dass Elle nicht wie ihre Mutter enden wollte.«
»Nein, das wollte sie nicht. Aber Mom: Elle hat keine Schmerzen. Überhaupt keine Schmerzen. Sie spürt absolut nichts, und selbst wenn es so wäre, würde sie ganz bestimmt alles für ihr Kind tun. Und auch ich würde alles für dieses Kind tun.«
Mom schüttelte den Kopf. »Es ist zu früh. Man kann sie vermutlich nicht lang genug am Leben erhalten, um ein gesundes Kind zur Welt zu bringen. Vor allem nicht nach ihren vielen Fehlgeburten. Selbst Dylan kam deutlich zu früh. Sie hat zunächst mir und später Adam die Vollmacht für alle medizinischen Entscheidungen erteilt. Dich hat sie nie gebeten, nicht wahr?«
Nun war die Reihe an mir, den Kopf zu schütteln.
Mom legte ihre Hände auf meine. »Ich weiß, was ich vor Gericht ausgesagt habe – aber Elle wusste tief drinnen ganz genau, dass du nie fähig wärest, den Stecker zu ziehen. Matthew, wenn du sie liebst – und ich weiß, dass du das tust –, dann musst du sie gehen lassen.«
In einer Hinsicht hatte meine Mutter recht: Ich war wirklich nicht bereit, Elle gehen zu lassen.
41
Fünf Jahre vor dem Unfall
A ls Mom mir das warme Maisbrot vorsetzte, waren die neun Stunden Fahrt schnell vergessen. Sie ließ sich auf einen Stuhl an der Schmalseite des Tisches fallen. »Wie geht es Carol? Wieso ist sie nicht mitgekommen?«
»Sie muss arbeiten.« Carol hatte das ganze Wochenende Rufbereitschaft. Ich verschlang eine Scheibe des mit Butter bestrichenen, himmlischen Gebäcks. Mit halbvollem Mund fügte ich hinzu: »Angesichts unserer Dienstpläne ist es ganz schön schwierig, zusammen herzukommen.«
Mom presste die Lippen zusammen, und ich erwartete eine spitze Bemerkung über Carol – die Großstadtpflanze, wie Mutter sie nannte. Aber Mom wechselte nur das Thema. »Elle war auch da. Aber jetzt ist sie wieder nach Houston zurückgefahren.«
Ich blickte auf. »Ich habe sie jahrelang nicht gesehen.« Seit ich mit Carol verlobt war, hatten wir auch nicht mehr miteinander geredet, obwohl ich es mehrmals versucht hatte. Mehr als ein paar SMS und die eine oder andere Nachricht auf dem Anrufbeantworter waren nicht drin gewesen. »Sie hat mit dieser bevorstehenden Hubble-Mission wohl ziemlich viel zu tun.«
Meine Mutter rührte in ihrem Kakao und verzog das Gesicht. »Ich bin wirklich stolz auf sie, aber nach der Katastrophe mit der Columbia habe ich eine Riesenangst davor, sie in dieses Shuttle steigen zu sehen.« Mom zwang sich zu einemLächeln. »Heute Abend ist sie nach Acadia gefahren. Schade, dass ihr euch verpasst habt.«
Ich zuckte die Schultern, als wäre es mir egal, aber innerlich schätzte ich ab, ob ich eine Chance hätte, Elle zu sehen, wenn ich die drei Stunden Fahrt in den Nationalpark in Kauf nähme. Als ich das letzte Mal dort war, gab es kein Handynetz, und so beschloss ich, dass es keinen Sinn machte.
»Sie hat Heimweh«, erzählte Mom weiter. »Sie plant, demnächst wieder nach Maine zu ziehen.«
»Ach tatsächlich?« Davon hatte Elle mir nichts gesagt, allerdings hatte ich meine Mutter im Verdacht, Elles Worte nach ihrem eigenen Gusto zu interpretieren. Vermutlich hatte sie Elle gefragt: »Möchtest du vielleicht eines Tages wieder hierhin ziehen?«, worauf Elle natürlich antwortete: »Aber sicher!«
Jeder Mensch sehnt sich nach den Dingen, die er nicht haben kann.
»Leider kann sich Adam nicht von der NASA trennen«, fuhr Mom fort.
Ach ja, richtig. Adam. Er nervte, wie immer. »Wenn ich Carol dazu bringen könnte, nach Maine zu ziehen, würde ich es sofort tun.«
Mom schien ihre Worte genau abzuwägen, ehe sie weitersprach. »Irgendwie wäre es schon schön, euch beide nah genug zu haben, dass man sonntags manchmal miteinander essen könnte.« Carol und meine Mutter beim Austausch von Kochrezepten? Ich musste grinsen.
»Soll ich dir mal etwas Witziges erzählen?«, nahm ich den Gesprächsfaden wieder auf. »Ich kenne da jemanden. Er heißt Phil Grey und wird diesen Monat mit seiner Facharztausbildung in Neurochirurgie fertig. Er stammt aus Brooklyn. Er ist ein echter Großkotz, eben durch und durch New Yorker. Und obendrein ein eingefleischter Fan der Yankees.« Ich schüttelteden Kopf. Ich verstand noch immer nicht, dass ich, der ich ausschließlich für die Sox schwärmte, mich ausgerechnet mit einem Yankee-Fan hatte anfreunden können. »Trotzdem ein wirklich guter Arzt und fantastischer Chirurg.«
»Stimmt, du hast schon mal von ihm
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