Ich versprach dir die Liebe: Roman (German Edition)
nächsten Dusche sichtbar wurden. Oft waren es Zitate aus Gedichten. Elle liebte Dickinson, Thomas und Rossetti. Manchmal schrieb sie auch nur Dinge wie »Geh und rette ein Leben« oder »Ich liebe dich«.
Dann musste ich lächeln und wischte den Spiegel ab, ehe ich mich rasierte. Heute aber trocknete ich mich ab, lehnte mich an die Wand und wartete, bis der Dampf sich auflöste und Elles Nachricht verschwand.
Noch einmal drehte ich die Dusche auf, bis das ganze Bad dampfig war, doch die Nachricht materialisierte sich nicht mehr. Der Dampf kondensierte zu Tröpfchen und regnete auf mich hinab. Ich fragte mich, warum sie diese drei Worte geschrieben hatte. Meinte sie den Titel eines Songs von U2, den ich immer wieder gern hörte? Aber vielleicht war es auch nur Elles Art, mir zu verstehen zu geben, dass sie mich liebte. Denn das tat sie. Und das war das »süßeste Ding« überhaupt.
Plötzlich drang mir der Duft von Kaffee und dem Maisbrot meiner Mutter in die Nase. Ich hörte Wasser rauschen und Geschirr klappern. Sofort war mir klar, dass Mom gekommen war. Sie besaß einen Schlüssel. Ich polterte die Treppe hinunter, fest entschlossen, sie hinauszuwerfen. Vielleicht hätte ich es sogar getan, wären ihre Augen nicht so traurig und übernächtigt gewesen. Warum zum Teufel standen wir in diesem Gerichtsverfahren auf gegnerischen Seiten? Wir hätten doch gemeinsam trauern und sie hätte mir erklären können, wie sie die Kraft gefunden hatte, den Tod meines Vaters zu überleben.
Jetzt aber schien es mir, als hätte ich auch meine Mutter verloren. Vor Elles Unfall standen Mom und ich uns sehr nah. Nur Elle stand ihr noch näher. Näher als eine normale Schwiegertochter und auf jeden Fall näher als der eigene Sohn.
Als ich die Küche betrat, wandte Mom sich ab. »Hubble ist bei Mike«, sagte sie. »Ich habe dir ein Frühstück gemacht und …«
»Ich kann mich selbst versorgen.«
»Gestern habe ich Lammkeule geschmort und dir ein paar Sandwichs eingepackt. Keine Sorge, das Fett habe ich abgeschnitten. Du musst etwas essen, Junge, und du liebst Lammbraten.« Sie wischte die Arbeitsplatte mit einem Schwamm ab.
»Ich kann mich selbst versorgen«, wiederholte ich.
Sie verhielt sich, als wäre ich noch von ihr abhängig. »Gerade jetzt sollten wir näher zusammenrücken«, sagte sie.
»Unmöglich, solange du versuchst, meine Frau zu töten.«
Mom schnappte nach Luft und wich einen Schritt zurück. »Das ist nicht dein Ernst! Ich liebe Elle.«
»Raus hier«, sagte ich nur. Beinahe hätte ich die Hand gegen sie erhoben. Für eine Sekunde vergaß ich, dass sie meine Mutter war. Zusammenrücken? Sie war es doch, die uns auseinanderriss! Elle und ich waren verheiratet. Wie lautete die Formel? Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden. Ganz einfach. Aber wie sollte ich das meiner Mutter klarmachen? »Raus hier«, forderte ich sie zum zweiten Mal auf.
Mom tat, als hätte sie nicht gehört. Sie trocknete sich die Hände am Küchenhandtuch ab, tupfte sich die Augen, schenkte zwei Tassen Kaffee ein und stellte sie auf den Tisch.»Setz dich. Wenigstens für zehn Minuten. Und iss etwas. Ich will dich nicht auch noch begraben müssen. Na los, ich weiß doch, wie gern du Maisbrot magst.«
»Ach ja, aber du bist bereit, Elle zu begraben?« Ich warf ihr einen finsteren Blick zu. Ich war nicht bereit, die Sache auf sich beruhen zu lassen, und wollte sie bestrafen. Sie hielt mir einen Teller hin.
Zum Teufel damit. Ich wollte mir weder die Zeit nehmen, mir selbst ein Frühstück zu machen, noch irgendwo bei einer Fast-Food-Kette frühstücken, also nahm ich den Teller und setzte mich.
»Wir sind keine Feinde, Matt. Nur Gegner«, sagte sie.
Ich schlang Essen und Kaffee hinunter und würdigte sie keines Wortes.
Sie schob mir einen Zettel über den Tisch. »Hier, meine neue Telefonnummer. Nachdem ich die Reporter kaum noch loswurde, habe ich mir eine neue Nummer geben lassen, die nicht im Telefonbuch steht.«
Ich warf einen Blick auf meinen hektisch blinkenden Anrufbeantworter.
»Vielleicht solltest du das auch tun.« Sie starrte in ihre Tasse. Es geschah selten, dass sie keinen Blickkontakt suchte.
Ich stand auf und hörte den ersten Teil der zwei Dutzend Nachrichten auf dem Anrufbeantworter ab, indem ich sie löschte, sobald der Anrufer seinen Namen genannt hatte. »Warum lassen die Leute mich nicht einfach allein damit fertigwerden?«
»Weil sie finden, dass ein Teil von Elle auch ihnen gehört.
Weitere Kostenlose Bücher