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Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Perel
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Gegensätzlichkeit sein. Freude und Traurigkeit würden
    in dem Haus aufeinanderprallen, das mir nicht mehr gehörte.
    »In welchem Stockwerk wohnst du?« fragte ich. »Im zweiten,
    rechte Tür, und vergiß nicht, zu kommen!« In meinem Kopf
    ging al es durcheinander, und ich verstand nur mit Mühe. Also
    würde der Empfang nicht in unserer Wohnung stattfinden,
    sondern in der Etage über uns. Ich war enttäuscht. Ich könnte
    unsere Wände nicht berühren, die noch die Küchendüfte
    meiner Mutter ausströmten. Dagegen war ich in die Wohnung
    unserer jüdischen Nachbarn eingeladen worden, deren Sohn
    mit mir in die Klasse gegangen war. Wir hatten zusammen
    Schulaufgaben gemacht. Jetzt befanden sie sich im Ghetto
    oder in Auschwitz, und ich war bereit, bei ihnen zu Hause
    zu feiern, unter Leuten, die vor kurzem von ihren Mördern
    in ihre Wohnung gesetzt worden waren.
    Die Wahrheit schwoll an und wollte explodieren.
    Ich versuchte, Fassung zu bewahren und das Mädchen als
    ahnungslose Partnerin in diesem dramatischen, verwirrenden
    Spiel zu betrachten.
    Als ich am nächsten Tag durch die Straßen schlenderte,
    begegnete ich einer Menge Passanten, die eilig die letzten
    Vorbereitungen zu diesem wichtigen Fest trafen. Ich schaute
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    sie unverhohlen an, als wollte ich ihnen sagen: »Heute bin
    auch ich mit von der Partie. Heute abend werde ich nicht
    zusammengekauert auf diesem verfluchten Bahnhof sitzen.«
    Der stumme Dialog mit diesen Leuten ließ mich meine Ver-
    lassenheit nicht ganz so heftig empfinden. Ich war in den
    letzten Jahren eigensinnig geworden, und man konnte mir
    nicht so leicht die Laune verderben.
    Abends begab ich mich, wie aus dem Ei gepellt, zu dem
    Empfang. Ich wollte nicht wissen, wer die anderen Gäste wa-
    ren, ich vermutete, daß es sich um Verwandte oder Bekannte
    handelte. Einer von ihnen war ein Wehrmachtssoldat, dessen
    Einheit in der Umgebung stationiert war. Wir waren die beiden
    einzigen waschechten Deutschen und als solche Ehrengäste.
    Ich strotzte vor Selbstbewußtsein und Stolz.
    Der Soldat und ich sprachen dieselbe Sprache. Ich verbarg,
    daß ich selbst ein alter Fronthase und letztlich ein »eingemein-
    deter« Volksdeutscher war. Ihm galt ich als richtiger Deutscher,
    der aus Braunschweig stammte, und ein solcher wollte ich
    in seinen Augen auch sein, jetzt und später. Er stieß saftige
    Verwünschungen gegen die Russen aus, beklagte sich über ihre
    Barbarei, weil sie Dumdum-Geschosse verwendeten und so die
    Genfer Konvention brächen. Diese Geschosse drangen in den
    Körper ein, explodierten im Körperinneren und verursachten
    furchtbare Verletzungen. Er war am Schenkel getroffen wor-
    den und erst nach Monaten wieder genesen. Deshalb befand
    er sich augenblicklich im Hinterland in einer Flak-Einheit.
    Trotz der sonst herrschenden Knappheit quoll das Buffet
    von Lebensmitteln über. Es wurde reichlich Alkohol, Selbst-
    gebrannter Schnaps und Landwein, und eine ganze Anzahl
    von Gerichten serviert. Als Mitternacht näherrückte, stieg die
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    Stimmung. Meine Gastgeber besaßen ein altes Grammophon
    und Platten.
    Ich forderte meine Gastgeberin zum Tanzen auf. Al es sang,
    tanzte, lachte Tränen. Auch ich. Doch ich weinte Tränen der
    Trauer. Meine Bertha hatte mir den Tango beigebracht, den
    ich jetzt tanzte. Ich schloß die Augen, drückte meine Partnerin
    an mich und überließ mich der Flut der Erinnerungen. Sie
    deutete diese Hingabe als Zuneigung, während ich mich in
    den Schlingen quälender Erinnerungen verfing. Dank dieses
    liebenswerten Mädchens konnte sich mein wahres Ich ablösen
    und in die verbotene Vergangenheit gleiten, während meine
    Fassade die angenehmen Gefühle und den Flirt genoß.
    Der Tanz meiner Träume in meiner alten Welt wurde plötz-
    lich unterbrochen. Bis zu dem mit soviel Spannung erwarteten
    mitternächtlichen Glockenschlag waren es nur noch wenige
    Minuten. Wir faßten einander unter und drehten feierlich
    und jubelnd eine Ehrenrunde für Führer und Sieg. Ich auch.
    Doch meine Wünsche richteten sich nicht auf denselben Sieg.
    Ein Glück, daß Gedanken und Gefühle unsichtbar sind. Ich
    behielt meine Stoßgebete für mich. Die Veranstaltung konnte
    weitergehen.
    Wie hätte ich ahnen können, daß mich das Geschick auf
    diese Weise nochmals in mein Haus führen würde, vier Jahre,
    nachdem ich es verlassen hatte, um in ihm einen Freuden- und
    Tränenreigen zu tanzen! Ich »amüsierte« mich in der Wohnung
    meiner Freunde und Nachbarn,

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