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Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Perel
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während sie sich im Ghetto
    befanden! Die Möbel, die dageblieben waren, schauten mich
    stumm an.
    Meine Zeit in Lodz ging langsam zu Ende. Mit äußerst
    widersprüchlichen Gefühlen verließ ich diesen schicksalhaften
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    Ort. Ich wußte, ich hatte den Forderungen der Gegenwart
    zu gehorchen und mein Dasein wie bisher weiterzuführen.
    Die Fahrten, die ich noch durch das Ghetto unternahm,
    brachten nur neue Enttäuschungen. Ich verlor alle Hoffnung,
    ich war untröstlich. Jupps Freundin sah ich noch ein- oder
    zweimal, dann nahmen wir Abschied. Ich sagte innerlich auch
    dem seltsamen Straßenbahnfahrer Adieu, mit dem ich kein
    einziges Wort gewechselt hatte, ich ließ ihn sich über meine
    nervösen Hin- und Rückfahrten weiter wundern.
    – In Israel saß unlängst bei einem Treffen von Juden aus
    dem Ghetto in Lodz ein rüstiger, bemerkenswert vitaler Greis.
    Im Laufe der Unterhaltung erzählte er mir, daß er gewöhnlich
    in Schweden wohne, jedoch zweimal im Jahr nach Israel in
    sein Haus nach Savyon fahre. Er hieß Binem Koppelmann.
    Wir kamen auf die Shoa zu sprechen. Der Mann fing an, von
    seinen Wanderungen zu erzählen, angefangen vom Ghetto in
    Lodz bis zu seiner Ankunft in Auschwitz, wohin er mit den
    letzten Transporten gekommen war. Er sprach ununterbrochen,
    sprach leidenschaftlich und beachtete meine Fragen nicht. Es
    gelang mir nicht, ihn zu unterbrechen. Mich hatte sein Beruf
    stutzig gemacht. Er sei nämlich Straßenbahnfahrer gewesen,
    sagte er. »Aber wie war es möglich«, fragte ich jetzt dazwischen,
    »wie war es möglich, daß sich ein Jude außerhalb des Ghet-
    tos bewegen durfte?« Seinen Worten nach war er der einzige
    gewesen, der dieses Vorrecht genoß. In seiner Jugend hatte
    er im Elektrogerätewerk AEG in Berlin gearbeitet, und als
    er auf die Qualifikation verwies, die er dort erworben hatte,
    hatten ihm die deutschen Behörden eine Sondererlaubnis zur
    Führung der Straßenbahn ausgestellt.
    Ich nutzte eine Pause in seinem Redeschwall und flocht
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    ein, daß auch ich das Ghetto in der Straßenbahn durchfah-
    ren, mich aber damals unter einer Uniform der Hitlerjugend
    verborgen hätte. Der Mann erschrak und verstummte. Er
    runzelte erstaunt die Stirn. Ich spürte, wie seine Gedanken
    zurückgingen, und er in seinem Gedächtnis kramte. Er schaute
    mich lange an und murmelte dann zögernd: »Sie waren das
    also? Waren Sie der Hitlerjunge, der jeden Tag hinter mir in
    der Bahn stand? Ja, ich war der Fahrer. Ich hatte Angst vor
    Ihnen und wagte nicht, nach einer Erklärung zu fragen. Es
    war mir seltsam und ungewöhnlich vorgekommen. Aber nie
    hätte ich gedacht, daß Sie Jude seien.«
    »Und ich«, antwortete ich, »ich dachte, daß Sie Pole seien,
    ein mißtrauischer Pole, der mir auf die Schliche kommen
    wollte.«
    Während uns beiden die Schweißperlen über das Gesicht
    rannen, erzählte ich ihm meine Geschichte. Tatsache ist, daß
    ich nach diesen zehn Ferientagen enttäuscht die Heimfahrt
    in meine Schule antrat. Diesmal las ich keine Zeitung. Ich
    setzte mich verwirrt irgendwohin. Ich war erschüttert, ich
    wußte nicht mehr, zu welcher Gruppe ich gehörte, ich wußte
    nicht mehr, wo ich mich aufgehalten hatte und was mich nun
    erwartete, ich wußte nicht mehr, wo mein Zuhause war, wo
    mein Vaterland, und wer ich wirklich war. Al e Möglichkeiten
    flossen ineinander, meine Gedanken gingen in die Irre.
    – Vor nicht allzulanger Zeit fragte mich eine Gymnasia-
    stin, warum ich nicht versucht hätte, mich in das Ghetto
    einzuschleichen und das Schicksal meiner Eltern zu teilen.
    Ich habe geantwortet, daß man nicht vorhersehen könne, wo
    das Todeskarussell, das sich unablässig über unseren Köpfen
    drehe, anhalten werde. Ein innerer Mechanismus habe über
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    meinen Weg entschieden. Ich hätte gefühlt, daß ich seinen
    Befehlen gehorchen mußte. Bei meiner Rückkehr sah ich, daß
    sich nichts geändert hatte. Der Himmel war nicht herabge-
    fallen, und das Leben ging seinen Gang. Der Krieg trat in
    sein fünftes Jahr, und alle glaubten felsenfest an den Endsieg.
    Es gab ein fröhliches Wiedersehen mit meinen Kamera-
    den, die beeindruckende Geschichten zu erzählen hatten. Ich
    steuerte das Meine bei, soweit mir dies möglich war. Ich
    umging alle peinlichen Fragen. Diesmal mußte ich mich sehr
    anstrengen, um fiktive Abenteuer zu erfinden. Der Abgrund,
    der die Realität von der Phantasiewelt trennte, war zu tief …
    Die strenge Schuldisziplin und die gewohnte

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