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Ich war nur kurz bei Paul

Ich war nur kurz bei Paul

Titel: Ich war nur kurz bei Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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anfielen und Babys tot bissen? Schlagartig kam ihm ein Horrorfilm in den Sinn, da hatte ein Heer von Ratten alles tot gebissen, was ihnen in den Weg gekommen war. Etwas streifte seinen Fuß - »Äääch!« Entsetzt drehte Ralf sich um seine Achse, stieß dabei mit der Schulter an die Harken-, Hacken- und Schaufelstiele, die daraufhin mit Getöse umfielen. Er riss die Schuppentür auf - nur raus hier! Jeden Augenblick musste im Haus das Licht angehen. Er ergriff sein Fahrrad, hastete die Auffahrt hinunter, schwang sich mit Schwung in den Sattel und sauste davon.
       Nach fünfhundert Metern kam er an die Bushaltestelle mit dem Wartehäuschen. Er hielt an, stellte das Fahrrad schützend vor sich und legte sich der Länge nach auf die klamme Sitzbank. Hier war es nicht so unheimlich wie in dem Schuppen. Immer wieder wachte er auf - denn er fror erbärmlich. Dann, gegen sechs Uhr, kamen die ersten Leute, die mit dem Bus zur Arbeit fahren wollten. Rasch richtete sich Ralf auf und setzte sich vernünftig hin. Er kam sich vor wie ein gottverdammter Landstreicher. Dass Barbara ihm das angetan hatte, würde er ihr nie verzeihen! Er sann auf Rache, das hatte sie nicht umsonst getan, ihm würde schon noch etwas einfallen, darauf konnte die sich verlassen! 
       Gegen halb acht verlor Ralf die Geduld - er mochte nicht mehr länger herumlungern und warten, bis sein Erzeuger gegen neun Uhr ins Büro fuhr. Er war durchgefroren bis auf die Knochen und seine Klamotten fühlten sich feucht an. Wenn der Alte blöd werden sollte, dann würde er eben wieder zu seiner Mutter fahren und peng! Von seinen Kumpels hier im Dorf war er ohnehin irgendwie enttäuscht, vor allem von Justin, der doch eigentlich sein bester Freund war.
       Er fuhr nach Haus; jetzt ließ sich auch das Schloss ganz normal aufschließen, war ja klar! Mit Zorn und Frust im Herzen schloss Ralf die Tür hinter sich und wartete auf das, was kommen würde. Er hörte, dass Barbara in der Küche das Frühstück zubereitete. Oben im Bad pfiff sein Erzeuger unter der Dusche - das tat er jeden Morgen. Wie oft hatte sich Ralf deshalb schon beim Wachwerden die Ohren zugehalten? Barbara wandte der Tür den Rücken zu, der Eierkocher summte. Ralf erkannte blitzschnell seine Chance und schlüpfte, von ihr unbemerkt, die Treppe hinauf, riss sich in seinem Zimmer die Klamotten vom Leib, legte sich ins Bett und zog sich die Decke bis über beide Ohren. Er schlief sofort ein.
     
    Jetzt stand Lucie laut kichernd vor seinem Bett mit seiner Zudecke in der Hand. »Mama hat gesagt, du sollst endlich aufstehen!«
       »Hau ab!« Ralf warf ihr sein Kissen zu und versuchte sie zu verscheuchen.
       »Aufstehen, aufstehen, aufstehen, aufstehen, aufstehen!« Er hielt sich die Ohren zu. Dabei fiel sein Blick auf den Wecker: Halb eins! Jetzt erinnerte er sich schlagartig. Sie hatten ihn schlafen lassen. War sein Ausbleiben tatsächlich unbemerkt geblieben? Das konnte nicht sein; hatte Barbara ihm diesen bösen Streich mit dem Haustürschloss doch extra deshalb gespielt, um ihm Ärger zu bereiten! 
       Unschlüssig, was er davon halten sollte, entschied er sich erst einmal so zu tun, als ob nichts gewesen wäre. Als er die Treppe hinab schritt, sah ihn Barbara mit hoch gezogenen Brauen an. »Hast du geduscht? Ich habe nichts gehört. Marsch, ab! Es wird sich erst gewaschen, bevor du runter kommst!« Au Mann, eyh, die konnte aber auch nerven! Ralf verdrehte demonstrativ die Augen, tat aber, was sie verlangte. Bloß keine weiteren Provokationen! Eine Viertelstunde später erschien er wieder, diesmal geduscht und mit frischen Klamotten.
        Barbara hatte ihm in der Küche sein Frühstück hingestellt. Wortlos ließ er sich nieder und schenkte sich ein Glas Milch ein. Zwei Brötchen lagen noch im Korb.
       »Lucie, geh hoch und wirf jetzt endlich auch die Nadine aus dem Bett! Jetzt ist Schluss mit lustig! Sie kann nicht den ganzen Tag liegen bleiben.«
       »Nun zu uns, Ralf! Ich hatte dir verboten, zum Netzen zu gehen. Du hast dich aber nicht darum geschert und bist doch losgezogen. Das finde ich nicht okay von dir. Hast du eine Erklärung für mich?«
       »Nö, aber ich hör nur auf das, was mein Vater mir sagt. Du bist nicht meine Mutter!«
       »Das stimmt allerdings! Sonst wärst du auch nicht so ein freches Bürschchen geworden, da kannst du sicher sein! Ich habe deinem Vater nichts erzählt; ich wollte keinen Streit im Haus haben. Du bist schließlich auf Ferien hier, und

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