Ich werde dich so glücklich machen: Roman (German Edition)
lag. Sie packte unbeholfen seinen Ärmel.
»Aber Halvor … können wir nicht …«
»Nein«, sagte er, riss sich los und öffnete die Tür. Das Waschweib aus der Wohnung gegenüber schaute mit einem Lappen in der Hand auf. Er nickte kurz und rannte die Treppenstufen hinunter, merkte, dass er sich auf gefährliche Weise freute, auch wenn die fehlende Säuberung und das nicht ausreichende Öl die Lager zum Teufel schicken und ihm einen Haufen Scheißarbeit machen könnten. Oder vielleicht freue ich mich ja gerade deshalb, dachte er.
Sie ließ die Bürste fallen, die auf dem Linoleum einen feuchten Schwapplaut machte, ging in das kleine Zimmer, das sie nie benutzte, und griff in einen Pappkarton voller Dias. Die Bilder lagen in Stapeln in kleinen gelben Plastikschachteln mit durchsichtigem Deckel. Ganz unten in dem Pappkarton fand sie das braune Pillenglas und nahm zwei heraus, blieb einige Sekunden stehen und musterte ihre Fingerspitzen, die die Pillen hielten, ließ die eine dann wieder ins Glas fallen und steckte sich die andere in den Mund. Es schmeckte bitter und tröstlich, sie konnte sie schon auf dem Weg in die Diele hinunterschlucken ohne Hilfe von Wasser, sicher weil sie so viel geweint hatte, dass ihr Hals verschleimt war.
Sie ging ins Schlafzimmer und schaute auf Klein-Halvor hinab.
»›Zwei Halvore sind mehr als genug.‹ Das hat er gesagt. Auch wenn er dich doch haben wollte.«
Das Kind bewegte sich nicht, sie legte eine Hand auf den verblüffend kleinen Brustkorb. Er atmete.
Die schöne Frau aus dem zweiten oder dritten Stock stand in ihrem Kellerraum und stemmte Pappkartons, die eigentlich ziemlich leicht aussahen. Sie trug ein Kleid, aber keine Nylonstrümpfe. Nackte Haut, es sah fast ein wenig widerlich aus, mehrere kleine Leberflecken punktierten die weiße Haut auf der Rückseite ihrer Waden. Ihre Bewegungen wirkten entschieden und energisch, es bestand also kein Grund, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Er lief durch den langen Kellergang, es roch hier unten so gut, trocken und kalt und nach allen möglichen Dingen, die die Leute in ihren Räumen hatten. Jetzt war er im Fahrradkeller, hier stand sie.
Er hatte die Tür zur Fahrradrampe, die nach oben führte, noch nicht aufgeschlossen, als er innehielt und lauschte. In der Wand war ein Rascheln. Was zum Teufel? Es waren ganz leise Geräusche, aber sie waren da. Widerlich, dachte er. Das letzte Lemming-Jahr war noch nicht lange her, und sicher waren es Lemminge. Diese ganze Siedlung mit den vielen Blocks war doch auf Ackerland errichtet worden, das verärgerten Bauern weggenommen worden war, das hatte er jedenfalls gehört. Klar waren das Lemminge, die nicht begriffen, dass hier jetzt Leute wohnten. Wenn sie sich in zottigen Wogen ins Meer stürzen wollten, konnten sie das von ihm aus gern tun, sie waren widerlich. Er packte den Lenker der Taifun, spürte den feinen Winterstaub an den Handflächen, kein einziges Mal im Winter war er hier unten gewesen, um nach ihr zu sehen. Aber jetzt war er da.
Er drehte den Choke voll auf und trat auf den Starter, dreimal, dann ein viertes Mal, und wirklich, sie sprang an! Es knallte
einige Male, ehe der Motor hustend und würgend in Gang kam. Er gab vorsichtig Gas und drosselte den Choke, schloss die Tür zur Fahrradrampe auf, zog das Rad vom Ständer, schob es hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.
Sie spülte alle Teller und Töpfe, das ganze Besteck, alle Gläser und Kaffeetassen, füllte den Wäschebottich mit Wasser. Sie machte das langsam mit wunderbarer Seide im Leib. Einige Kinder versuchten draußen, auf den Balkon zu klettern, doch sie ging einfach hinaus und lächelte, und schon waren sie verschwunden. Jetzt saß er auf seinem Motorrad, das war ein guter Gedanke. Ja, wirklich ein guter Gedanke. Sie ging ins Wohnzimmer und drehte den Fernseher aus. Der elfenbeinfarbene, viereckige Knopf war so schwer einzudrücken, dass der Fernseher sich auf seinen dünnen Beinen ein Stück rückwärts bewegte.
Es wurde so still, als das Fernsehbild erlosch. So ungeheuer still. Sie hörte nicht einmal den Lärm der verrückten Familie im Erdgeschoss auf der anderen Seite der Mauer, das war seltsam. Oder vielleicht auch nicht. Manchmal konnte sie nicht richtig hören, wenn sie die Tabletten genommen hatte. Sie hätte sich vorhin von ihm umarmen lassen sollen. Aber was, wenn sie ganz zusammengebrochen wäre? Alles wäre in Stücke gebrochen genau wie die neuen Milchgläser, die nicht nur in drei oder
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