Ich werde dich so glücklich machen: Roman (German Edition)
Deshalb hatte er viele kleine Jobs angenommen, seit er nach der neunten Klasse die Schule verlassen hatte, ohne eine weiterführende Schule im Auge zu haben und ohne sich irgendwo zu bewerben, was einen Schock für die erfolgreichen großen Brüder und die Eltern bedeutet hatte.
Er hatte im Lager verschiedener Autowerkstätten aufgeräumt, Zeitungen ausgetragen, im Sommer gemeindeeigene Rasenflächen gemäht, er hatte sogar die Betonbecken einer Zuchtanlage für Forellen draußen in Trolla saubergekratzt, glitschige Algenschichten, die als lange Fäden vom Besen gehangen waren. Nicht für einen Moment dachte er weiter in die Zukunft als zwei Monate, in Wirklichkeit nicht mehr als einen. Aber ab und zu dachte er ein wenig an die Sache mit dem Erbe, sie könnten beide sterben, die Alten, jederzeit. Dann würde er gar nicht wenig bekommen. Vielleicht.
Aber aller Wahrscheinlichkeit nach würden die Brüder alles
übernehmen, an sich reißen, das würde ihn nicht eine Sekunde lang wundern. Er konnte sie nicht ausstehen. Sie waren fast zwanzig Jahre älter als er, und auch sie waren alt. Erwachsene Männer, total unerträglich. In hässlichen engen Anzügen mit ewigem Schweißgeruch und seltsamen, scharf rasierten Bartformationen und beide mit Siegelringen, die sie vom Vater zur Konfirmation bekommen hatten. Hans Erik, der Älteste, der Jurist, war jetzt so fett, dass er den Siegelring an den kleinen Finger stecken musste. Seine Frau, ein kleines, verängstigtes Holzstück, erwiderte niemals auch nur einen Blick. Und die Kinder, drei an der Zahl, huschten herum wie verschreckte Nerze.
Ja, doch, ein Erbe würde es schon geben. Er dachte oft daran. Er war doch ein Drittel, auch wenn er noch so jung war. Das Haus musste doch, verdammt noch mal, einiges wert sein.
Aber jetzt brauchte er Zaster! Oh verdammt. Wenn sie nur wüssten. Wenn sie das nur wüssten.
Er bewahrte das Geld in einem Schuhkarton unten in seinem Kleiderschrank auf, dem Karton des besten Weihnachtsgeschenks, das er in seinem ganzen Leben je bekommen hatte – ein Paar Adidas Telstar 2 TRX FG Junior mit Traktionsstollen. Er hatte sich diese Schuhe gewünscht, seit er sie unten im Zentrum im Fenster von Ballangrud gesehen hatte. Deshalb hatte er das Gefühl, dass dieser Schuhkarton Glück und Erfolg bedeutete. Die Schuhe hatte er schon längst verschlissen und damit sicher zwanzig Tore geschossen. Immer löste sich an Fußballschuhen zuerst die Spitze, und die Spitze des rechten Schuhs hatte sich selbst ins Tor katapultiert zusammen mit dem letzten Ball, den er in diese Richtung geschossen hatte.
Dienstags, wenn er ins Büro von Henriksen ging, der für den Verkauf in der Stadt verantwortlich war, und wenn ihm das
Geld in die Hand gedrückt worden war, nachdem er den Stapel Quittungen für die verkauften Türspione vorgezeigt hatte, dann sah er die drei weißen Adidas-Streifen auf schwarzem Grund schon vor sich. Sie waren einfach wunderbar, die drei Streifen quer über dem Gesicht von Henriksen, der da saß und das Geld hinblätterte.
Und jedes Mal, wenn er den Deckel vom Schuhkarton nahm und neue Geldscheine und Münzen hineinlegte, zählte er, was er hatte. Bis jetzt fast elfhundert Kronen. Wenn seine Mutter die gefunden hätte, hätte sie ihn für einen Bankräuber gehalten.
An diesem Tag konnte er lange schlafen. Verkäufer hatten vor zwölf Uhr nichts an den Wohnungstüren verloren, aber dann waren die Hausfrauen in Schwung gekommen und hatten ihre Einkäufe erledigt. Auch der Abend war eine gute Verkaufszeit, wenn er nur die Nachrichten aussparte. Doch er arbeitete lieber tagsüber. Die Männer waren nicht so neugierig wie die Weibsbilder und glaubten, keinen Türspion zu brauchen.
Er freute sich jeden Vormittag, wenn er die Augen aufschlug. Die Leute saßen mit ihren Losen und Lottoscheinen herum und hofften auf einen Gewinn, den sie doch eh niemals bekamen. Er selbst hingegen konnte langsam und gemächlich in seinem eigenen Tempo aufstehen, ein Brot mit Ei und Sardellen verzehren, Milch mit ein paar großzügigen Löffeln O’Boy trinken und sich das bohrende und nie verstummende Gerede seiner Mutter anhören, oder besser gesagt eben nicht anhören. Und danach fuhr er dann auf seinem Crossmaster-Fahrrad zu dem Wohnblock, der für diesen Tag eingeplant war, und zog jedes Mal das Siegerlos in Form von Quittungen für den Verkauf. Das Rad war jetzt zu klein und kindisch mit dem blöden Speedwaylenker, aber er fuhr gern damit. Die beiden
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