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Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Titel: Ich werde immer da sein, wo du auch bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Lacour
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mir Shakespeare zu hoch oder so. Wir haben das Stück letztes Jahr im Unterricht gelesen. Ich kann sogar ein paar Verse auswendig. Ich versuche mich an die Geschichte zu erinnern – an die Balkonszene, an die Szene mit Julia und ihrer Amme, als ihr klar wird, dass Romeo das Gift getrunken hat … Oh.
    Dylan kommt wieder raus und setzt sich auf den Bordstein.
    »Heute ist Ingrids Geburtstag«, erzähle ich. »Sie wäre heute siebzehn geworden.«
    Dylan sagt nichts, und obwohl ich kurz vorm Losheulen bin, lächele ich. Das ist Dylan, sie labert nie rum, bloß um irgendetwas zu sagen.
    »Ich würde mir das Stück gern ansehen. Wann ist die Aufführung?«
    »Am Freitag.«
    »Gehen wir zusammen hin?«
    Dylan zuckt die Achseln. »Weiß nicht.«
    Sie schlingt die Arme um die Knie und zieht sie an die Brust. Ich will ihr eine Million Fragen über ihr Leben stellen, aber das ist jetzt wohl kaum der richtige Zeitpunkt.
    Sie grinst schief. »Und was hast du in letzter Zeit so gemacht? Mal wieder Leute getroffen?«
    »Eigentlich hab ich mich meistens auf dem Klo versteckt.«
    »Hört sich nett an.«
    »Na ja, es ist eine echt hübsche Toilette. Oh, und kennst du Taylor Riley?«
    »Ja, der ist in meinem Chemiekurs.«
    »Ich hab ihn geküsst.«
    Sie streckt die Beine aus. »Ach ja? Das ist doch gut.«
    »Nein. Ich wollte sagen, ich hab mich ihm an den Hals geworfen. Ich hab mein Shirt ausgezogen und ihn attackiert.«
    Dylan sieht mich an. Ich habe keine Ahnung, was sie denkt.
    »Das war zweifellos der erniedrigendste Augenblick meines Lebens.«
    Dylan blinzelt. Dann grinst sie von einem Ohr zum anderen.
    »Tut mir leid. Ich weiß, das ist nicht witzig, sorry. Aber
warum

    »Keine Ahnung. Wahrscheinlich, weil ich mich einsam gefühlt habe.« Ich reiße einen Streifen von einem alten Plakat ab, das am Mast befestigt ist und einen Flohmarkt ankündigt. Ich zerknülle den Streifen und reiße ein weiteres Stück ab.
    Ich versuche es noch einmal. »Wir gehen dann also zusammen hin, ja? Am Freitag?«
    Ich schaue Dylan nicht an, sondern reiße weiter Streifen aus dem Plakat. Ich warte auf ihre Antwort.
    Sie schweigt.
    Ich popele eine Tackerklammer aus dem Holz.
    »Ich möchte Maddy wirklich gern spielen sehen.«
    Ich versuche mich an das zu erinnern, was Maddy über das Licht gesagt hat und wie es sie beschützt. Ich zerknülle das Papier zu einer kleinen Kugel und stecke sie in die Tasche.
    Schließlich seufzt Dylan.
    »Ich will das nicht aufbauschen und komme gern direkt zur Sache. Ich weiß nicht, was mit dir bei unserem letzten Mittagessen passiert ist, aber ich hab das Gefühl, dass es was mit Ingrid zu tun hatte. Deshalb möchte ich das ein für alle Mal klarstellen: Ich bin kein Ersatz für sie. Wenn du das möchtest, klappt es mit unserer Freundschaft nicht. Das will ich nicht, und du solltest es besser auch nicht wollen.«
    Ich setze mich neben sie. Sie sieht mich an, wie nur sie das kann: ganz intensiv, überhaupt nicht verlegen.
    »Du bist kein Ersatz«, sage ich. Dylan antwortet nicht, ich muss mir mehr Mühe geben.
    »Kannst du dich noch an den Tag erinnern, als ich dir das Kino gezeigt habe?«
    »Ja.«
    »Da hast du gesagt, dass du dir mich als Freundin ausgesucht hast.«
    »Okay«, sagt sie, halb defensiv, halb peinlich berührt.
    »Gut. Jetzt bin ich dran. Ich such mir dich aus.«
    »Was?«
    »Ich will dich zur Freundin haben. Wenn ich dich deshalb bis zum Spind verfolgen und, na ja, anbetteln muss und heimlich vor eurem Haus auf der Lauer liegen muss, damit du mit mir nach der Schule essen gehst, dann tu ich das.«
    Dylan verdreht die Augen, aber als sie lächelt, verwandelt sich ihre Distanziertheit in etwas Wärmeres. »Na gut.«
    »Dann essen wir also morgen Mittag zusammen. Lieber nicht in der Toilette, auch wenn es da sehr nett ist, aber ich könnte echt eine Ortsveränderung gebrauchen.«
    »He – wart mal.« Dylan grinst mich an. »Weißt du nicht mehr, Schulklos gehören zu meinen Lieblingsaufenthaltsorten.«
    »Falls Maddy mal herkommt, könnt ihr dort rumknutschen, so viel ihr wollt, aber ich möchte lieber auf dem Fußballplatz essen.«
    »Okay, abgemacht.«
    »Und am Freitag gehen wir zu der Premiere.«
    »Gut, aber du solltest Taylor einladen, weil Maddy und ich hinterher zusammen sein wollen.«
    »Oh.« Ich nicke verständnisvoll.
    »Du willst dich doch dann nicht langweilen?«
    »Okay.«
    »Okay.« Sie nickt. »Gut.«

16
    Am Sonntag nach dem Abendessen klingelt das Telefon.
    »Hallo, ist da

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