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Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Titel: Ich werde immer da sein, wo du auch bist
Autoren: Nina Lacour
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beginnt, darin herumzukritzeln. Dann setzt sie sich wieder bequem hin und betrachtet mich aufmerksam.
    »Caitlin«, verkündet sie, »das ist eine Schande.«

9
    Später am Abend ruft Taylor an.
    »Können wir uns heute Abend sehen?« Seine Stimme ist unglaublich süß und hoffnungsvoll.
    »Ich versuch’s. Ich ruf dich zurück.«
    Meine Eltern sind draußen im Garten.
    »Sieh mal!« Dad winkt mich zu sich. Er hält in jeder Hand eine Artischocke wie eine Trophäe. »Das sind die ersten Artischocken in diesem Jahr!«
    »Was meinst du?«, fragt Mom. »Sollen wir sie grillen? Vielleicht mit ein wenig Olivenöl und Salz?«
    Ich trete von einem Fuß auf den andern. Ich will sie nicht kränken, aber ich möchte auch Taylor sehen.
    »Wollt ihr heute noch grillen?«, frage ich.
    »Warum warten?«, erwidert Dad.
    »Na ja, ich hab mich gefragt, ob ich heute Abend mit Taylor essen gehen könnte …« Über Dads Gesicht huscht Enttäuschung. Meine Mutter lächelt strahlend, aber ich weiß, dass sie dahinter ihre wahren Gefühle verbirgt.
    »Aber ich würde natürlich nur sehr ungern die ersten Artischocken des Jahres verpassen.«
    Dad nickt. »Das wäre wirklich schade.«
    »Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass Taylor Artischocken mag.«
    Meine Eltern sind plötzlich ganz vergnügt – Dylan und Taylor am selben Tag? Sie sind im Himmel aller Eltern mit Problemtöchtern.
    »Das Essen steht um Viertel nach acht auf dem Tisch«, sagt Mom, jetzt ganz die Rektorin. »Richard, schneid etwas Basilikum ab, ja? Ich muss mich noch umziehen.«
    Wieder oben, rufe ich Taylor an.
    »Also, was hältst du von Artischocken?«
    »Artischocken?«
    »Gemüse.«
    »Meine Eltern sind mehr so für die üblichen Gemüsesorten, du weißt schon: Möhren, Erbsen, Mais … so was. Ich weiß gar nicht, ob ich schon mal Artischocken gegessen habe.«
    »Hm.« Vor lauter Aufregung ziehe ich eine Grimasse. »Heute ist dein Glückstag. Es gibt bei uns Artischocken.«
    Ich halte die Luft an und warte auf seine Antwort. Falls ich irgendein Zögern höre, bin ich total erledigt.
    »Ich bin eingeladen?« Zu meiner Verwunderung klingt seine Stimme fast eifrig.
    »Ja.«
    »Wart mal – war das so ›Okay-wir-haben-ihn-eigentlich-nicht-eingeplant-deshalb-sind-die-Portionen-wahrscheinlich-zu-klein-aber-wenn-du-ihn-unbedingt-dabei-haben-willst-dann-leg-halt-noch-ein-Gedeck-auf? Oder war es ›Wir-würden-Taylor-gern-besser-kennenlernen-und-wir-wären-total-begeistert-wenn-er-zum-Abendessen-käme?‹«
    Er rasselt das ganz schnell runter, und ich lache schon, bevor er fertig ist.
    »Das Zweite.« Ich kichere. »Ehrlich.«
    »Wann?«
    »Um acht.«
    »Gut.« Ich höre irgendwas rascheln. »Scheiße – es ist ja schon nach sieben! Bin gleich da.« Und damit beendet er das Gespräch.
     
    Er kommt ein paar Minuten zu früh, frisch geduscht wie beim letzten Mal, und er duftet wie eine Flasche Kölnisch Wasser. Dad schüttelt ihm die Hand. Mom nimmt ihn kurz in die Arme. Mir scheint, als würde sie sich ein Würgen verkneifen, aber vielleicht bilde ich mir das nur ein.
    »Hey«, sagt er zu mir aus fast einem halben Meter Entfernung.
    »Hey«, sage ich.
    Ich möchte ihn küssen.
    Eine Weile machen wir Smalltalk, aber keinen von der unangenehmen Sorte.
    »Treibst du Sport?«, fragt Dad.
    »Ich skate ein bisschen«, antwortet Taylor.
    »Er meint Skateboard fahren«, füge ich ganz schnell hinzu, damit meine Eltern keine Deppen aus sich machen und ihn irgendwie auf Rollerblades oder etwas ähnlich Peinliches ansprechen.
    »Wissen wir«, sagt Mom etwas spöttisch.
    Taylor findet die Artischocken lecker, fragt meine Eltern nach ihrem Garten und sagt, dass er gern lernen würde, wie man Gemüse anbaut.
    »Du kannst jederzeit gern mitmachen«, sagt Dad. »Wir sind fast jeden Abend im Garten und an den Wochenenden. Komm einfach vorbei.« Anscheinend hat er den nicht gerade vorteilhaften ersten Eindruck von Taylor ganz vergessen.
    Taylor sagt: »Ja, gern«, und ich muss mich sehr zurückhalten, um ihn nicht zu berühren. Er ist so nah. Hab ich schon erwähnt, dass ich ihn küssen will?
    Nach dem Essen gehe ich in die Küche zur Gefriertruhe.
    »Ganz schlimm«, sage ich. »Es gibt keinen Nachtisch.«
    Mom und Dad wechseln einen Blick. »Möchtet ihr uns im Laden noch ein Eis holen?«
    »Klar.« Ich versuche, ganz normal zu klingen. »Welche Sorte wollt ihr?«
    »Such du aus«, sagt Dad.
    Mom drückt mir ein bisschen Geld in die Hand. »Direkt zum Supermarkt und zurück,
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