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Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser

Titel: Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ewers
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oder?
    Fünf Monate war ich bei den Vancouver Whitecaps in Kanada, in der zweiten Liga. Fünf Monate Vancouver, das waren fünf Monate Training von acht bis zwölf Uhr, fünf Monate hoffen, dass ich mal in einem Punktspiel dabei bin, für ein paar Minuten wenigstens.
    Es hat nicht geklappt. Vielleicht mochten sie meinen Stil nicht, ich bin ein Kämpfer und kein Schachspieler. Diese Videoanalysen, die wir gemacht haben vor den Ligaspielen, waren ja ganz nett - aber am Ende musst du bloß deinen Mann im Griff haben. Du musst ihn halten, treten, schubsen, zermürben eben, und irgendwann ist er weich, dann sagt ihm eine Stimme: Ist heute nicht dein Tag. Und dann hast du gewonnen.

    Sie haben im November meinen Leihvertrag aufgelöst bei den Whitecaps und mich zurückgeschickt nach Tansania. Jetzt spiele ich wieder bei den Young Africans in Dar es Salaam, für 500 US-Dollar im Monat. Es ist jammerschade, nicht nur wegen des Geldes. Ich hatte mich gerade gewöhnt an die Menschen und das Land, da war es schon zu Ende.
    Vancouver war die beste Zeit meines Lebens. Raus aus Afrika, keiner meiner Freunde hat das geschafft bis heute. Und ich hatte Papiere, ich musste nichts fürchten, keine Polizeikontrollen, ich war willkommen. Die Kanadier sind freundliche und offene Menschen, viele haben mich nach meiner Geschichte gefragt: Wie war dein Weg? Magst du unser Land? Warum bist du gekommen? Vermisst du nicht das Licht und die Wärme?
    Ja, habe ich gesagt, das vermisse ich. Und ich vermisse meine Familie auf Sansibar und unseren taraab, unsere Musik, diesen Sound müssten Sie mal hören, wenn da Violinen, Cellos, Akkordeons und Flöten durcheinanderspielen, und alle tanzen dazu auf der Straße. Klar, habe ich gesagt, es gibt auch Probleme in Afrika, und ihr hier in Vancouver könnt glücklich sein. Ihr habt Häuser mit Dächern aus Ziegeln und nicht aus Wellblech. Ihr habt gute Schulen und Medikamente, und vor allem habt ihr Arbeit.
    Ich habe viel erzählt, denn die Menschen in Kanada wissen wenig über Afrika. Armut, Hunger, Aids, oft kennen sie nur die Klischees. Doch wir sind nicht so kaputt und so anders, wie ihr vielleicht alle denkt. Wir sind auch von dieser Welt. Und wir können richtig gut Fußball spielen.
    Im Moment bin ich auf Sansibar und bereite mich mit der Nationalmannschaft
auf den Cecafa-Cup in Kenia vor, das ist die Zentral- und Ostafrika-Meisterschaft. Wir haben unglaubliches Glück bei der Auslosung gehabt: Tansania ist in unserer Gruppe!
    Ich spiele für beide Nationalteams, denn Sansibar wird von der Fifa nicht anerkannt, weil wir politisch zu Tansania gehören, so, wie ein Bundesstaat in Amerika zu den USA gehört. Und deshalb darf ich bei den großen Turnieren auch für die Taifa Stars ran. In der WM-Qualifikation zum Beispiel bin ich für Tansania aufgelaufen, das war eine gute Möglichkeit, mich international zu zeigen. Leider sind wir nicht über die erste Runde hinaus gekommen, Kamerun war einfach zu stark. Ich habe Samuel Eto’o nicht halten können, er hat im letzten Spiel zwei Tore gegen mich gemacht, ich habe wirklich alles versucht, aber er ist so schnell, so unfassbar schnell.
    Naja, mein Herz schlägt sowieso mehr für Sansibar, hier bin ich geboren, im Stadtteil Michenzani, hier habe ich meine Karriere begonnen, und es gibt nichts Schöneres, als die Jungs vom Festland zu schlagen. Die haben tolle Stadien, einen Brasilianer als Nationaltrainer und immer eine große Klappe. Wir werden sie wieder vom Platz fegen. Wie immer, wenn’s drauf ankommt.
    In der nächsten Saison würde ich gern zurück nach Kanada oder in die USA gehen. So schnell gebe ich nicht auf. Mein Agent Yusuf Bakhresa sucht gerade nach einem Klub für mich. Er hat gesagt, dass mich Minnesota Thunder zu einem Probetraining einladen will. Meine Papierform stimmt schon mal: Ich habe noch eine Arbeitserlaubnis für ein Jahr.

DAS SPIEL DES LEBENS
    Die achte Stunde des Tages ist die Stunde der Gnade. Die Luft ist weich und klar in Stone Town, Sansibar, und die Sonne wirft ein gelbes Licht vom Himmel. Sie brennt noch nicht, sie wärmt. Aber die harten, schneidenden Strahlen werden kommen, und die Busse und Lastwagen aus den Vororten auch, vierzig, fünfzig Minuten noch, dann wird das kleine Stück Rasen an der Kreuzung von Malawi Road und Benjamin Mkapa Road eintauchen in Abgaswolken, Schulkinder werden quer über den Platz laufen und ein paar Ziegen, und über allem wird senkrecht eine weiße Tropensonne stehen, die jeden Pass, jedes

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