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Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser

Titel: Ich werde rennen wie ein Schwarzer, um zu leben wie ein Weisser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ewers
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Spieler, die sich selbst einkaufen ins Team, weil sie nach Europa wollen und eine Bühne brauchen. Und dann gibt es natürlich Manager, die beim Geldausgeben Geld verdienen.«
    »Kick-back-Geschäfte« nennt man diese Deals, und die funktionieren im Fußball so: Ein Vereinsvertreter, meist jemand aus dem Management, arbeitet mit der Gegenseite, einem Spieleragenten zusammen. Der Manager zahlt dem Agenten ein überhöhtes Honorar für die Vermittlung eines Spielers. Das Geld dafür nimmt er aus der Klubkasse. Der Agent überweist einen Teil davon zurück - auf das Privatkonto des Managers.
    Kick-back-Geschäfte sind keine afrikanische Krankheit; es gibt sie auch in Europa. Kurt Okraku nennt sie trotzdem »das ghanaische Gift«. Er hat mit vielen Klubverantwortlichen gesprochen, im Vertrauen, und alle klagten, dass diese Kick-back-Deals und auch die Günstlingswirtschaft ihre Vereine ausbluten lassen würden. Wenn Okraku über konkrete Maßnahmen sprechen wollte, über Transparenz und Selbstverpflichtungen, »dann setzte das große Schweigen ein«, sagt er. »Dann war sich jeder selbst der Nächste, denn irgendwie hängt wohl jeder ein bisschen mit drin in
den schmutzigen Geschäften. Das gibt es in unserem Fußball nicht: hier die Saubermänner und dort die Schurken.«

    Hearts-Fans feiern - egal, was auf dem Rasen passiert
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    Es herrscht eine seltsame Stimmung im Stadion, und im VIP-Block, wo Kurt Okraku sitzt, sowieso. Die meisten hier spielen mit ihren Handys, sie schauen nur kurz aufs Feld und dann wieder auf ihr Telefon. Auch in den Kurven des Ohene Djan Sports Stadions läuft die Partie an den Fans vorbei. Sie machen Musik mit Trompeten, Posaunen und Trommeln, sie singen, sie tanzen mit dem Rücken zum Rasen, ihre Party kennt keine Höhen und keine Tiefen. Nur diesen stampfenden, schweren, immergleichen Sound, eine Mischung aus Jazz und Blues und Marschmusik, ein Sound, der träge macht und willenlos, und irgendwann zerfließt jeder in der Masse und singt und wippt und kreist mit der Hüfte.
    Die Hearts of Oak gewinnen 1:0 gegen Asante Kotoko, ein zäher, ein ergrätschter Sieg. Sie rücken ein bisschen vor im Mittelfeld der Tabelle, aber die Spitze ist noch immer weit entfernt. Trainer Ayman El Yamani, 56, ist trotzdem glücklich. Er winkt mit weit ausholenden
Armbewegungen ins Publikum, und am Schluss verneigt er sich sogar. El Yamani, der kleine säbelbeinige Ägypter, hat schwere Tage hinter sich. In der Woche vor dem großen Spiel gegen Kotoko musste er sich beschimpfen und beleidigen lassen wie nie zuvor. Von den eigenen Fans, jeden Tag, beim Nachmittagstraining. Dass sie ihn nicht verprügelten, war noch sein Glück.
    Accra, Hospital Road, Technical Training Center. Es ist Mittwoch, noch vier Tage bis zum Duell gegen Asante Kotoko. Der Fußballplatz steht im Feuer der Mittagssonne, vierzig Grad Celsius, windstill, kein Schatten, nirgends. Um kurz nach zwei laufen die Hearts-Spieler auf den Rasen, die drei Dutzend Fans am Spielfeldrand klatschen leise. Als Letzter kommt Ayman El Yamani aus der Kabine. Er ist erst ein paar Schritte gegangen, ruckelt noch seine rote Schirmmütze zurecht, da bricht ein Sturm los: »Du willst unser Coach sein, du Verlierer?«, »Du musst mehr Stürmer bringen! Wann kapierst du das endlich?«, »Geh zurück in dein Ägypten.«, »Verpiss dich!«
    El Yamani stapft auf den Platz, ohne jede Regung. Er macht sein Training, Gymnastik zu Beginn, dann vier gegen vier mit dem Ball, später lässt er Freistoßvarianten üben - aber es hört nicht auf, das Gebrüll vom Seitenrand. Und El Yamani wird unruhig, er schickt seinen Assistenztrainer zu den Fans, aber die lassen sich nicht beschwichtigen. »Komm doch selbst rüber! Oder hast du Angst?«, brüllt einer quer übers Feld.
    El Yamani hat keine Angst. Er winkt den Schreihals zu sich, Stirn an Stirn stehen sie sich gegenüber, und jetzt brüllt El Yamani. Aber der dicke Glatzkopf vor ihm weicht nicht zurück, das hier ist seine Show, und die anderen Fans am Spielfeldrand johlen, weil er Kontra gibt, weil er zetert und schimpft mit erhobener Faust. Ein
paar Betreuer rennen herbei und schieben den Glatzkopf beiseite, behutsam, sie kennen sich mittlerweile aus mit solchen Typen.
    El Yamani, geboren in Kairo, dachte, er hätte Schwarzafrika verstanden nach 17 Jahren. Er hat sechs Jahre die Nationalelf von Mosambik trainiert und fünf Jahre die Auswahl Malis, er hat in Swasiland gearbeitet und in Eritrea. »Aber Ghana«, sagt er, »Ghana

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