Ich will doch nur küssen
richtig, ihr zuzusehen und ihrer Schilderung zu lauschen.
»Es wurde im Laufe der Jahre natürlich von einer Vielzahl von Menschen bewohnt. Mit der Zeit entwickelte sich Serendipity dann zu einem richtigen Wohnort. Damit ergaben sich Veränderungen. Manche Besitzer konnten ihre Villen nicht auf Dauer halten, sodass viele allmählich verfielen oder abgerissen wurden. An deren Stelle entstand dann der heutige Stadtkern, wobei eine neue Aufteilung von Land und Gütern dazu führte, dass die Grundstücke und die Gebäude kleiner wurden, wie man es am heutigen Stadtzentrum sieht. Aber dieses Haus war immer bewohnt und wurde stets gut in Schuss gehalten – in den vergangenen zwanzig Jahren von meinen Eltern. Bis … « Sie brach ab, wollte ganz offensichtlich nicht weiterreden.
Aber Ethan wusste genau, worauf sie angespielt hatte – auf den tiefen Fall ihres Vaters. Offensichtlich war das ein Thema, über das sie nicht gerne sprach. Andererseits lag es auf der Hand, dass es ihr vielleicht ganz guttun würde, darüber zu reden.
»Bis … ?«, hakte er nach.
Sie schüttelte den Kopf. »Lass uns nicht darüber reden.«
Ethan musterte sie mit schmalen Augen. Seine Entscheidung war augenblicklich gefallen. »Doch, lass uns darüber reden.«
Kapitel 6
»Also, schieß los«, forderte Ethan sie noch einmal auf.
Faith hatte zwar sichtlich keine Lust, über ihren Vater zu sprechen, aber sie sollte hören, was Ethan dazu zu sagen hatte. Schließlich hatte er eine ganz eigene Sichtweise, wenn es um das Fehlverhalten eines Menschen und die Konsequenzen dieses Verhaltens ging. Ethan mochte die illegalen Machenschaften ihres Vaters zwar alles andere als gutheißen, aber die Gefühle, die Martin Harrington für seine Tochter hegte, hatten nichts mit seinen Missetaten zu tun. »Der Mann ist dein Vater .«
»Und wer ist das?«, fragte Faith. »Es ist jedenfalls nicht derselbe Mann, der mich damals wegen der abgerissenen Tapete nicht verpfiffen hat oder der regelmäßig zu mir kam, um hier einen Strich an die Wand zu malen, weil das unser kleines Geheimnis war.«
»Doch, das ist er«, widersprach Ethan. »Er ist immer noch der Mann, der dich großgezogen hat. Der dich liebt. Der Mann, den du geliebt hast.«
Faith ballte ein paarmal die Hände zu Fäusten und ließ wieder locker. »Er war für mich immer ein Held, bis ich herausgefunden habe, dass er ein Lügner und Dieb ist. Das Schlimmste daran ist, dass er der wichtigste Mensch in meinem Leben war. Ich habe ihm vertraut, und dann hat sich herausgestellt, dass ich ihn überhaupt nicht kannte.«
Ihr Schmerz ging Ethan gehörig an die Nieren, aber im Gegensatz zu den meisten anderen Leuten hatte er auch Verständnis für die andere Seite. »Vielleicht ist das tatsächlich der Fall, aber er ist und bleibt trotzdem dein Vater«, wiederholte er. Martin Harrington war noch am Leben – somit bestand immerhin die Möglichkeit einer Versöhnung, einer zweiten Chance, die Ethan für immer verwehrt bleiben würde.
»Er hat eine ganze Menge Leute um ihre Häuser und ihre Ersparnisse, ja um ihre gesamte Existenz gebracht.« Faith versagte die Stimme; in ihren Augen flackerte Zorn auf. »Wie soll ich ihm je vergeben oder ihm auch nur in die Augen sehen, nachdem er sich so viel hat zuschulden kommen lassen?«
Ethan atmete tief aus. Er musste sie zumindest dazu bringen, die Dinge aus einer anderen Perpektive zu betrachten. »Jeder macht mal Fehler, Faith. Nur weil ich allen auf die Nerven gegangen bin, meine Eltern verrückt gemacht habe und im Grunde ihren Tod verschuldet habe, heißt das noch lange nicht, dass ich sie nicht geliebt habe. Oder dass ich mir nicht wünsche, ich könnte die Zeit zurückdrehen und zumindest für meine Brüder da sein.«
Bei seinem von Herzen kommenden Bekenntnis waren Faiths Augen immer größer geworden.
Sie war nicht weniger verblüfft darüber als er selbst. Er hatte sie dazu ermutigen wollen, ihre Gefühle zu überdenken, stattdessen hatte er ihr sein Innerstes offenbart und sich ihr von seiner verletztlichsten Seite gezeigt.
»Du hast überhaupt nichts verschuldet, Ethan.« Sie stieß sich von der Wand ab und trat zu ihm, aber er wollte nicht von ihr getröstet werden.
»Darüber will ich jetzt nicht reden«, sagte er mit einem warnenden Unterton in der Stimme. »Es geht hier gerade um dich, nicht um mich.«
Faith hob ergeben die Arme. »Okay, okay.«
Sie klang weder gekränkt noch verärgert, sondern schien es einfach zu verstehen und zu
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