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Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Titel: Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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nicke. Und wieder einmal zögere ich. Aber jetzt habe ich schon so viel von mir preisgegeben, da kann ich das von dem Feuerzeug auch noch erzählen. Das ganz hinten in meiner Schreibtischschublade liegt und das ich manchmal so dicht an meinen Arm halte, dass sich die feinen, dünnen Härchen in der Hitze aufrollen. Der Schmerz verdrängt die Trauer. Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Steht es nicht so in der Bibel?
    »Anton mag es nicht, wenn ich das tue«, sage ich. »Er sieht dann immer ganz traurig aus.«
    »Du siehst ihn immer und überall? Er war drei Jahre alt, als er gestorben ist, und du siehst ihn als … Zwölfjährigen?«
    »Er ist jetzt zwölf. Oder wäre zwölf, meine ich. Eigentlich müsste er hier bei uns sein. Verstehst du? Vielleicht versuche ich nur, die Ordnung wiederherzustellen. Oder … ich weiß es nicht. Siehst du deine Mutter nicht?«
    Silja schüttelt langsam den Kopf. »Außer wenn ich manchmal von ihr träume. Aber Träume sind Fantasien. Ich träume von ihr und von Oma. Oma und Opa waren Griechen, darum hieß sie Ariadne. Sie sind irgendwann in den Siebzigern nach Schweden gekommen.«
    »Griechen? Nils’ Eltern sind auch aus Griechenland.«
    »Der Nils aus unserer Klasse?«
    Ich nicke. Es fehlt nicht viel, dass ich ihr erzähle, dass ich wohl in ihn verliebt bin, aber dann wird nichts daraus, weil Silja mehr über Anton wissen will. Ob ich wirklich glaube, dass er weiter bei uns ist, wie auch immer.
    »Ich weiß nicht, was ich glaube«, sage ich. »Vielleicht bedeutet, tot zu sein, dass man nur von wenigen Auserwählten gesehen werden kann. Solchen, die sich erinnern.«
    »Wenn man jemanden sehen kann, bedeutet das doch, dass er oder sie existiert«, sagt Silja.
    »Irgendwie schon, ja.«
    »Dann existiert Donald Duck auch.«
    Ich lache. »Okay. Du erwartest von mir, dass ich sage, ich glaube an Seelen, die bei uns herumspuken, bis sie in den Himmel kommen?«
    »Oder bis sie wiedergeboren werden«, sagt Silja.
    »Glaubst du an Wiedergeburt?«
    Silja zuckt mit den Schultern. »Ich glaube an nichts. Irgendwann werde ich es wissen, nehme ich an.«
    Es ist Abend, als ich aufbreche. Die Stadt ist die gleiche wie immer, trotzdem fühlt sich alles anders an. Ich mache einen Umweg am Park vorbei über die Eisenbahnbrücke, um etwas Zeit für mich zu haben. Am höchsten Punkt der Brücke lehne ich mich gegen das Geländer und schaue auf die Gleise hinunter. Eine leere Plastiktüte bewegt sich im Wind. Ich stemme mich hoch, bis meine Füße ein Stück über dem Asphalt baumeln und ich wie eine Waage über dem Abgrund hänge. Der Schwerpunkt liegt ganz eindeutig auf der sicheren Seite, trotzdem habe ich ein Ziehen im Bauch, als würde ich bereits fallen.
    Mir wird klar, dass ich leben will, als ich dort hänge.
    Anton ist gestorben, ich muss leben. Aus Dankbarkeit, weil es nicht mich getroffen hat. Das ist sozusagen mein Schicksal.
    Zum Leben verurteilt.

Warum reden wir eigentlich nie über Anton?«
    Mama und Papa gucken fern, als ich nach Hause komme. Ich schüttele die Schuhe ab, gehe ins Wohnzimmer und sehe die beiden in dem blau schimmernden Fernsehflimmer an. Mama, die vor neun Jahren durch die Wohnung gerannt ist, Papa, der den Krankenwagen gerufen hat. Livia und Anders. Sie sitzen nebeneinander auf dem Sofa und leben weiter. Wie jeder in unserer Familie. Andere leben, wir leben weiter.
    Beide reißen den Blick vom Bildschirm los und sehen mich an.
    »Aber Schatz, das tun wir doch«, sagt Mama.
    »Nein«, sage ich. »Wir reden nie über ihn.«
    Mama sieht Hilfe suchend zu Papa und dann wieder zu mir.
    »Aber doch, das tun wir.«
    Papa richtet sich auf dem Sofa auf und sieht Mama lange und nachdenklich an.
    »Nein«, antwortet er. »Vendela hat recht. Wir reden schon lange nicht mehr über ihn. Wir tun so, als wäre das Schrecklichste, was uns je widerfahren ist, nie passiert. Als hätte es ihn nie gegeben. Ich denke oft darüber nach. Aber vielleicht ist es der einzig gangbare Weg. Was soll man sonst tun? Keiner von uns hat ihn vergessen, oder? Keiner von uns, der ihn nicht jeden Tag vermisst.«
    Mamas Augen werden dunkel vor Trauer und in mir macht sich ein schlechtes Gewissen breit wie ein Tintentropfen in einem Glas Wasser.
    »Entschuldigung«, sage ich leise.
    »Man muss doch …«, setzt Papa an. »Wir haben uns. Und wahrscheinlich können wir das mehr wertschätzen als andere Familien. Weil wir wissen, dass es keine Garantien gibt, dass wir achtsam mit der Zeit umgehen müssen,

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