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Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Titel: Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beltz & Gelberg
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und antiken, dunkelbraunen Möbeln, Schränken mit Glastüren, Tischdecken mit Fransen und kleinen Alabasterfiguren auf runden Beistelltischchen. Vielleicht habe ich das mal in irgendeinem Film gesehen.
    Ich liege jedenfalls komplett daneben. Die Wohnung, die wir betreten, sieht ganz anders aus. Ganz normale Möbel und helle Farben. Ein kleines Mädchen kommt durch den Flur auf uns zugehüpft. Sie mustert mich interessiert.
    »Hallo, wie heißt du?«
    »Vendela.«
    »Bist du Siljas Freundin?«
    Ich werfe Silja einen hastigen Blick zu. Bin ich das?
    »Wir haben uns gerade erst kennengelernt«, sage ich, als hätte die Kleine gefragt, ob wir heiraten wollen.
    Eine Frau und ein Mann kommen auf den Flur. Das ist ja das reinste Empfangskomitee. Siljas Pflegeeltern sehen jung aus, jünger als meine Eltern. Silja hat überhaupt keine Ähnlichkeit mit ihnen. Sie sind blond, fast weißblond, und haben ganz glatte Haare, das kleine Mädchen auch. Silja hat dunkle Locken. Und während Silja Busen und runde Hüften hat, sind die anderen drei eher sehnig und dünn.
    »Hallo!«, sagt die Frau freundlich. »Bringst du eine Freundin mit? Schön. Seid ihr hungrig?«
    Silja sieht mich fragend an und ich schüttele den Kopf.
    »Okay. Wenn ihr es euch anders überlegt, bedient euch einfach«, sagt der Mann.
    »Das ist Vendela«, sagt Silja. »Und das sind Eskil, Louise und Minna.«
    »Hallo«, sage ich.
    Danach zeigt Silja mir ihr Zimmer. Die Wände sind nachtschwarz und riechen frisch gestrichen. Der Kontrast zu dem hellen Flur und dem Wohnzimmer, in das ich einen Blick werfen konnte, ist enorm.
    »Hast du die Wände selber gestrichen?«
    Silja nickt. »Aber ich bereue es fast schon. Ich war ganz sicher, dass sie sich querstellen, wenn ich sage, dass ich schwarze Wände haben will, haben sie aber nicht.« Sie lacht. »Sie sind echt in Ordnung. Und ich kann die Wände ja wieder anders streichen, wenn ich es nicht mehr ertrage.«
    Ich sehe mich um. Dünne, rot schimmernde Gardinen ohne Muster. An den Wänden hängen Fotos.
    »Das ist Papa«, sagt sie und zeigt auf ein Bild. »Und das sind Mama und er, bevor sie mich bekommen haben.«
    Das Paar lächelt breit in die Kamera. Die Frau hat schulterlanges, dunkles Haar und sieht Silja unglaublich ähnlich. Der Mann ist mittelblond und groß, und der Arm, den er der Frau um die Schultern gelegt hat, sieht sehnig und stark aus. Hinter ihnen ist blaues Wasser, das Meer wahrscheinlich.
    »Ich glaube, da sind sie auf Malle«, sagt Silja und lacht wieder. »Oder auf den Kanaren. Irgendwas Hypertouristisches jedenfalls.«
    »Ich weiß, wie es ist, wenn jemand tot ist«, sage ich.
    Silja sieht mich an. Das Lachen ist abrupt verschwunden, wie wenn man eine Kerze ausbläst.
    »Ist deine Mutter auch …?«
    »Nein. Mein kleiner Bruder. Er hieß Anton.«
    Es ist so lange her, dass ich mit jemand über Anton gesprochen habe, dass sich der Name ganz ungewohnt in meinem Mund anfühlt. Aber ich erzähle Silja von ihm. Alles. Dass ich ihn jeden Tag sehe, dass er wächst und sich verändert, obwohl er tot ist. Ich erzähle auch die Dinge, über die ich nie mit jemandem spreche. Etwas in Siljas Blick, während sie mir zuhört, veranlasst mich, immer mehr zu erzählen. Wir kennen uns kaum und trotzdem fällt es mir so leicht. Ich kann es nicht erklären. Aber so ist es.

Wir sitzen nebeneinander auf Siljas ungemachtem Bett. Wolken haben sich vor die Sonne geschoben und es fängt an zu regnen. Silja hat Coldplay eingelegt und mit den ersten Regentropfen setzt das Intro von Yellow ein.
    »Aber kann man völlig überraschend und plötzlich eine Hirnblutung kriegen?«, fragt sie.
    »Er wurde mit einer Arterienschwäche geboren«, sage ich. »Aneurysma heißt das, Gefäßerweiterung. Irgendwann ist die Arterienwand gerissen und hat Blut zwischen die mittlere und innere Hirnhaut gedrückt. Ich habe es mir immer wie eine große Spinne vorgestellt, die aus dem Ei schlüpft und ihre Beine um das Gehirn schlingt.«
    Siljas Mund verzieht sich angeekelt. »Eine Spinne?«
    »Na ja, Arachnida sind Spinnentiere und diese Blutung heißt Subarachnoidalblutung. Das hört sich nach einer Spinne unter der Oberfläche an. Sub-Arachnid.«
    »Schrecklich.«
    Ich bin erstaunlich ruhig. Normalerweise fangen jetzt die grauen Krallen an, meine inneren Organe blutig zu kratzen.
    »Kann man so etwas nicht im Voraus erkennen?«, fragt Silja. »Ich meine, auf einem Röntgenbild oder mit Ultraschall oder so?«
    Ich schüttele den Kopf. »Ich

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