Ich Will Ihren Mann
Wohnzimmer führte. Lisa erhob sich eilig, um sie zu begrüßen.
»Er arbeitet heute länger, 'n Abend, Lisa. Wie geht's?« »Danke, gut«, brachte das Mädchen mühsam hervor. »Ich höre, Sie haben Tee gemacht.« Lisa nickte. »Ich hätt' schrecklich gern 'ne Tasse.«
Lisa ging zu dem ziselierten Tischchen, auf dem sie das Teegeschirr bereitgestellt hatte. »Wie möchten Sie ihn?« »Schwarz. Ich bin nämlich grad' beim Abnehmen.« »Um Himmels willen, wozu denn das?« fragte Beth. »Oh, du bist 'ne echte Freundin«, lachte Lilian. Lisa brachte ihr eine dampfende Tasse. »Mammi?«
»Ja, gern. Mit Milch und Zucker, Liebes.« Minuten später saßen sie wieder genauso beieinander wie vor einer Woche: Lilian und Beth auf dem Sofa, Lisa im Sessel gegenüber. Ob ich auch so nervös wirke wie Lisa? überlegte Lilian und versuchte, sich auf Beth zu konzentrieren.
»Ich hab' Lisa erzählt, daß du heut' abend herkommen würdest, um dir meine Version vom Zusammenleben mit ihrem Vater anzuhören. Das meiste davon kennt sie zwar schon, aber sie besteht darauf, die Geschichte noch einmal zu hören. Die Details sind ihr neu. Die wollte ich eigentlich nur dir anvertrauen. Meinem Kind hätte ich schmutzige Einzelheiten gern erspart.« Sie zögerte. »Aber das hab' ich ihr Leben lang getan. Und jetzt besteht sie darauf, daß ich sie wie eine Erwachsene behandle, also ist es wohl an derZeit, daß sie die ganze Gruselgeschichte erfährt.« Sie sah sich um. »Brian ist oben. Er will von alledem nichts wissen. Er zieht es vor, mich für verrückt zu halten.« Ihr Blick kehrte zu Lilian zurück. »Willst du sie wirklich hören?« fragte sie.
»Ja, das will ich«, antwortete Lilian. »Ich werd' ganz am Anfang beginnen, damals, vor achtundzwanzig Jahren, als ich Al kennenlernte. Manches von dem, was ich zu erzählen habe, weißt du schon, Lilli. Du mußt entschuldigen, wenn ich mich wiederhole, aber das hilft mir, die Reihenfolge einzuhalten, verstehst du, all die einzelnen, scheinbar unbedeutenden Vorfälle in Zusammenhang zu bringen.« Sie machte eine Pause, trank einen Schluck Tee und stellte die Tasse auf das Tischchen zurück.
»Wie du weißt, war ich noch sehr jung, als wir heirateten. Grade achtzehn geworden. Al war zwölf Jahre älter. Wir lernten uns in 'ner Bank kennen. Ich war dort Kassiererin, er Kunde. Er kam ein-, zweimal die Woche; war immer schick angezogen. Er ist mir gleich aufgefallen. Er war zu allen so freundlich. Hatte für jeden ein Lächeln. Alle mochten ihn. Tja, daran hat sich nie was geändert. Die Menschen, mit denen Al zu tun hatte, haben ihn immer gemocht.« Sie hielt inne und holte tief Luft. »Auch ich mochte ihn. Gleich von Anfang an. Wenn ich mich unbeobachtet glaubte, lächelte ich ihm insgeheim zu. Aber eines Tages drehte er sich ganz plötzlich um und ertappte mich dabei. Und von da an kam er immer an meinen Schalter. Ich war verrückt nach ihm. Ich fand ihn unheimlich charmant. Und dann war er natürlich so viel älter als ich. Und er war Rechtsanwalt. Ich war vielleicht beeindruckt, als er mir das erzählte. Aber das Erstaunlichste an der ganzen Sache war, daß er sich anscheinend wirklich für mich interessierte. Ausgerechnet für mich... Und dabei hatte ich nicht mal 'nen High-School-Abschluß! Al hat sich immer geniert wegen meiner geringen Schulbildung, aber damals, als ichjung war, steckte meine Familie in Geldschwierigkeiten, und für meine Eltern war mein Verdienst wichtiger als meine Ausbildung. Ich hatte mir vorgestellt, daß ich wieder zur Schule gehen könnte, wenn wir verheiratet wären, aber dann kamen ziemlich bald die Kinder, und Al... Tja, wir haben den Leuten einfach vorgeschwindelt, ich hätte als Gasthörerin mein Examen gemacht, als die Kinder noch klein waren. Al hatte sich das ausgedacht. Er wollte nicht, daß man mich für ungebildet hielt. Ich wollte ihn glücklich machen, und da ihm so viel dran zu liegen schien, hab' ich eben mitgespielt. Aber es hat mich immer belastet. Ich hatte ständig Angst, jemand könnte mir mal 'ne Frage stellen, auf die ich keine Antwort wüßte, und dann käme alles raus, und ich stände als Schwindlerin da. Also versuchte ich aufzuholen: ich las alles, was mir in die Finger kam, und sorgte dafür, daß ich in puncto Tagesthemen stets auf dem laufenden war. Na jedenfalls ...« Sie brach ab, als sie merkte, daß sie zu weit vorgegriffen hatte. »Er lud mich ein, und wir gingen von da an öfter miteinander aus«, nahm sie den Faden ihrer
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