Ich will nur dein Glück: Roman (German Edition)
hätte, dann wärst du jetzt vielleicht noch meine Frau.«
»Vielleicht hätten wir aber auch gar nie geheiratet«, entgegnete sie sanft. »Du warst mein bester Freund. Ich habe dir vertraut wie keinem anderen Menschen sonst. Aber wir waren so jung … Wir kannten uns doch selbst kaum.«
Da musste er ihr recht geben. Jedenfalls zum Teil. »Wie kannst du behaupten, du hättest mir vertraut, wo du mir doch nie gestanden hast, wie unglücklich du warst?«
»Das wusste ich doch selbst nicht!« Annie drehte verlegen an einem ihrer Jackenknöpfe. »Erst nach der Diagnose habe ich mein Leben aus einem völlig neuen Blickwinkel gesehen, und da wurde mir klar, dass ich unglücklich war. Ich wollte mehr, wusste aber nicht, was genau mir fehlte. Wie hätte ich dir also etwas sagen sollen?«
Nash nickte. »Verstehe. Danke.«
Er war einerseits betrübt darüber, dass sie diese Unterhaltung nicht schon eher geführt hatten, andererseits war er ihr dankbar für diese nachträgliche Aufklärung eines Problems, das er bislang krampfhaft verdrängt hatte.
Annie lächelte betrübt. »Tatsache ist, seit meiner Diagnose hast du mich mit deiner Fürsorge schier erdrückt, und das wollte ich nicht. Aber ich habe lange nichts gesagt, weil ich dir in unserer Beziehung stets alle Entscheidungen überlassen habe – und das war allein meine Schuld, nicht deine.«
Nash stützte sich schwer auf den Einkaufswagen. Das Metall fühlte sich angenehm kühl an. »Naja, und wenn du dich mal darüber beschwert hast, dann habe ich es ignoriert.«
Aber inzwischen wusste er wenigstens, warum. Nachdem Ethan verschwunden war, hatte Nash den Drang verspürt, die Verantwortung für Dare zu übernehmen, und bei Annie hatte er genau dasselbe getan. Und sie hatte es zugelassen, wie sie soeben eingeräumt hatte. Doch selbst nach der Scheidung hatte er sich über ihren Wunsch, von ihm in Ruhe gelassen zu werden, hinweggesetzt. Sie mochte zwar auch Fehler gemacht haben, aber er war selbst schuld, wenn es niemand wagte, sich mit einem Problem an ihn zu wenden.
Bei Dare dagegen war der Fall anders gelagert. Sein Bruder hatte zehn Jahre lang ein Geheimnis gehütet, und Nash konnte und wollte den Grund dafür nicht ausschließlich bei sich suchen, einschüchterndes Auftreten hin oder her. Es hätte ohnehin nichts geändert. Er konnte sich mit dem, was Dare getan hatte, abfinden oder es ihm weiterhin übelnehmen.
Es war vorbei. Nash konnte die Vergangenheit nicht beeinflussen, und er wollte seinen Bruder genauso wenig verlieren, wie er Kelly verlieren wollte.
»Ich kann nicht fassen, dass wir dieses Gespräch hier im Gang mit den Frühstücksflocken führen«, scherzte Annie, und Nash war froh, dass sie damit seine gedankliche Endlosschleife unterbrochen hatte.
Er grinste. »Immer noch besser als in der Tiefkühlkost-Abteilung.«
»Wirst du denn zurechtkommen?«, fragte sie ihn.
Er nickte. Und zum ersten Mal seit Langem hatte er tatsächlich das Gefühl, dass schon alles wieder irgendwie ins Lot kommen würde.
Nash berief eine Familiensitzung in seiner Wohnung ein, zu der er nebst Kelly und Dare auch Faith und Ethan einlud, nachdem er sich vergewissert hatte, dass Rosalita inzwischen Tess beaufsichtigen würde.
Nash und Dare hatten sich seit der Ausstellung in Birchwood nicht mehr gesehen und auch nichts voneinander gehört, aber Nash wusste, dass Dare ein paar Nächte in einem Motel verbracht hatte, ehe er auf Ethans Angebot zurückgekommen und in eines der Gästezimmer in der Villa gezogen war. Die Renovierungsarbeiten an dem Haus, das Dare gekauft hatte, waren noch in vollem Gange, und mittlerweile hatte sich auch ein Abnehmer dafür gefunden. Der Verkauf würde einen hübschen Profit abwerfen. Wie auch immer, Nash war nicht weiter überrascht, als Ethan, Faith und Dare gemeinsam vorfuhren. Kelly traf kurz nach ihnen ein.
Sie setzten sich ins Wohnzimmer, und da alle wussten, dass es um Tess gehen würde, war der Umgangston zwischen den diversen Parteien einigermaßen höflich.
Höflich, aber kühl.
Dare hatte Nash mit einem Nicken begrüßt, aber das war auch schon alles gewesen. Und da Kelly als Letzte eingetroffen war, ergab sich für Nash auch in ihrem Fall keine Möglichkeit zu einem Gespräch unter vier Augen.
Doch er konnte kaum den Blick von ihr abwenden. Sie trug eine dunkelblaue Jogginghose mit tief sitzendem Bund, die sie an den Knöcheln umgekrempelt hatte, und dazu ein weißes Spaghettiträgertop und eine Kapuzenjacke. Nash dachte an
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