Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
gekündigt.
Gott sei Dank!
Daniels’ Meinung nach hatte seine Kündigung nur den einen Nachteil, dass im Kielwasser seiner Ablösung verschiedene Positionen neu besetzt worden waren: Beförderung von Chief Superintendent Billings zum Assistant Chief Constable; Detective Superintendent Brights Beförderung zum Detective Chief Superintendent – Force Crime Manager – eine Position, auf die er es schon seit Jahren abgesehen hatte.
Ihren Chef zu verlieren war ein schlimmer Schlag gewesen. Es gab noch keine Information darüber, wer ihn ersetzen würde, und die Unsicherheit darüber, wer ernannt werden würde, beunruhigte sie, um es vorsichtig auszudrücken. Sie fragte sich, wer es werden könnte, machte sich Sorgen darüber, dass die Dynamik in ihrem Team sich verändern könnte, wenn der Falsche kam und das Kommando übernahm. Bright konnte manchmal ein Tyrann sein, aber sie würde für ihn durchs Feuer gehen. Er hatte ihr alles beigebracht, was sie wusste, und sie verstanden einander perfekt.
Lieber den Spatz in der Hand …
Ein vibrierendes Handy unterbrach ihre Gedanken.
» DCI Daniels.«
»Kate, wie sieht’s aus?« Es war Detective Superintendent Ronald Naylor vom benachbarten Revier Durham, ein langjähriger Kollege und schon beinahe genauso lange ein Freund.
»Wir arbeiten uns die Füße wund. Und ihr?«
»Es heißt, ihr hättet die unidentifizierte Leiche einer jungen Frau in eurem Bezirk.«
»Schlechte Nachrichten machen schnell die Runde.«
»Willst du uns die Beschreibung geben?«
»Kannst du mir sagen, was ihr damit zu tun habt?« Daniels’ Augen glitten über ihr dezimiertes Team. Sie warteten geduldig darauf, dass sie aufhörte zu telefonieren. Doch die Neugier war stärker. Naylors Anruf war offensichtlich kein freundschaftlicher. »Bleib dran, Ron. Ich geh mal eben raus.« Sie legte die freie Hand auf den Lautsprecher. »Mach weiter, Hank. Ich bin sofort zurück.«
Sie stand auf und entfernte sich von den anderen. Gleißender Sonnenschein blendete sie, als sie die Haustür öffnete.
»Kate?«
»Ja, ich bin noch dran. Woher dein Interesse?«
»Ich habe gerade ein Ehepaar vernommen, dessen Tochter nicht nach Hause gekommen ist.«
Daniels fragte sich, warum ein Detective Superintendent sich um den Fall einer vermissten Person kümmerte. Fünfundneunzig Prozent aller Vermissten tauchten am Ende heil und gesund wieder auf. Während Naylor sprach, ging sie im Garten umher, erstaunt darüber, wie schnell sich der Morgennebel verzogen hatte. Sie setzte sich auf eine kleine Bruchsteinmauer, auf deren anderer Seite ein frisch umgegrabenes Gemüsebeet dabei war, den Krieg gegen das Unkraut zu verlieren, das aus dem angrenzenden, unbearbeiteten Feld herüberwuchs. Ein tieffliegendes Militärflugzeug – dessen Vibrationen sie bis in ihre Füße fühlen konnte – dröhnte über den Himmel über ihr und übertönte Naylors Stimme.
»Kannst du das wiederholen, Ron? Ich werde von UFO s bombardiert.«
»Ja, ich hab’s gehört.« Naylor knisterte am anderen Ende der Leitung mit Papieren. »Ich sagte, sie ist Studentin. Zweiundzwanzig Jahre alt.«
»Sie studiert in Durham?«
»Zufällig ja.«
Das Porträt von Jessica Finch tauchte in ihrem Kopf auf, eine junge Frau in der Blüte ihres Lebens, mit allem, wofür man leben wollte. »Hübsches blondes Mädchen? Sehr groß?«
»Bist du jetzt unter die Hellseher gegangen?«
Eine zweite Welle von Militärflugzeugen flog über sie hinweg.
»Wir müssen uns treffen«, sagte sie.
9
Detective Superintendent Naylor erschien wie geplant um halb eins in einem Pub in der Nähe der Grenze zwischen den Polizeibezirken Northumbria und Durham. Daniels war bereits seit zehn Minuten da, hatte sich ihren Weg durch eine Myriade von Rauchern hindurch erkämpft und die Wartezeit dazu genutzt, um die Morgenzeitungen durchzusehen und sich an der Bar einen Kaffee zu bestellen.
Der Gastraum war voll, als sie ankam, mit Leuten aus den umliegenden Büros an der Hauptstraße, die schnell einen Happen essen wollten, bevor sie zurück zur Arbeit gingen. Die Musik war für die Tageszeit zu laut, und viele Tische waren bereits für das Abendessen gedeckt. Der Essensgeruch aus der Küche machte sie hungrig. Eine Banane zum Frühstück reichte nicht, um sie bis zum Mittagessen aufrecht zu halten.
Ron Naylor tippte ihr auf die Schulter. Er war um die eins achtzig groß, mit hellen Augen und einem einnehmenden Lächeln, und wurde obenherum allmählich etwas licht. Er sah in
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