Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
hatten Gormley und Carmichael ihre Reaktion auch bemerkt.
»Lisa wird sich darum kümmern, dass Sie nach Hause gebracht werden«, sagte Gormley schnell.
»Oder wenn nicht nach Hause, dann woandershin …« Carmichael lächelte. »Zu einem Verwandten vielleicht?«
Mrs Grainger gelang ein schwaches Lächeln. »Schon in Ordnung, Lisa.«
Sie hatte es auf eine Art gesagt, die sie alle verstanden.
Daniels sprach ihnen abermals ihr Beileid aus und teilte ihnen mit, dass ein Kontaktbeamter mit ihnen in Verbindung bleiben würde, jemand, der ihnen jede Frage beantworten würde, die sie zu dem Fall haben könnten, und dessen Job es war, sie über die weiteren Entwicklungen zu informieren, falls und sobald es welche gab.
Carmichael manövrierte das Paar vorsichtig auf den Flur hinaus. Als sie die Tür hinter ihnen schloss, blies Daniels die Backen auf und ließ einen lauten Seufzer der Erleichterung hören.
»Was?« Gormley verzog das Gesicht. »Was ist mir entgangen?«
»Ruf den Beweismittelbeamten an, sofort.« Daniels hielt die Kette ins Licht. »Ich habe das hier schon einmal gesehen, Hank. Jessica Finch hat es auf einem Porträt getragen, das in der Bibliothek ihres Vaters hängt. Wir müssen dorthin, gleich morgen früh.«
13
»Es handelt sich um ein Unikat von Cartier, das ihrer Mutter gehörte«, sagte Adam Finch. »Ich mag nicht, dass Jessica es trägt, wegen des Geldwertes. Aber sie lassen sich ja nichts sagen, stimmt’s? Meine Tochter sieht das rein gefühlsmäßig. Ihre Mutter starb, als sie vier Jahre alt war. Es ist das Einzige, woran sie sich erinnert, dass sie es getragen hat.«
Sie befanden sich in der Bibliothek des Herrenhauses und standen vor dem höhlenartigen Kamin, Adam Finch mit dem Rücken dazu, Gormley und Daniels ihm gegenüber. Er war informeller gekleidet als vorgestern, als sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte: braune Cordhosen, ein beiger Pullover und an den Füßen ein Paar Halbschuhe. Angesichts der Umstände, dachte sie, sah er entschieden zu erholt aus. Sie hatte eine stärkere Reaktion erwartet, als sie ihm die Kette zeigte. Aber der Mann war nicht einmal zusammengezuckt. Wenn er nervös oder auch nur neugierig war, wie sie daran gekommen war, ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken.
Gormley sah sich Jessicas Porträt an. »Trägt sie sie immer?«
»Sie nimmt sie nie ab«, sagte Finch. »Darf ich fragen, wo Sie sie gefunden haben?«
»Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber wir haben sie der jungen Frau abgenommen, die zu identifizieren wir Sie gestern im Leichenschauhaus gebeten haben.« Daniels suchte nach einer Reaktion, aber es gab keine.
»Ihr Name ist Amy Grainger. Sie war ebenfalls Studentin an der Durham University.«
Finch schluckte schwer und sagte ein paar Sekunden lang nichts. »Ich habe Jessica wieder und wieder gesagt, dass irgendwann jemand das verdammte Ding mitgehen lassen würde. Aber wie immer hat sie nicht auf mich gehört. Dieses Mädchen, diese … Amy, sagten Sie, war ihr Name? Sie hatte offensichtlich nichts Gutes im Sinn. Sie steckte wahrscheinlich mit demjenigen unter einer Decke, der mir diese scheußlichen Drohungen geschickt hat. Vielleicht hören sie jetzt, wo eine von ihnen ein böses Ende genommen hat, damit auf, mich zu drangsalieren. Und selbst wenn nicht: Ich lasse mich nicht erpressen!«
»Hat Ihre Tochter jemals von Amy Grainger gesprochen?«, fragte Gormley.
Finch schüttelte den Kopf.
»Sie studierte Umweltmanagement«, sagte Daniels. »Hat im selben Jahr angefangen wie Jessica. Wenn sie befreundet waren, hat sie Amy die Kette vielleicht geliehen.«
»Nein.« Finch starrte Daniels an. »Meine Tochter geht vielleicht finanzielle Risiken ein, aber sie hat ein gutes Urteilsvermögen, wenn sie sich ihre Freunde aussucht. Sie würde sich nie mit schlechter Gesellschaft einlassen. Sie hat zu viel zu verlieren. Eines Tages könnte sie ein beachtliches Vermögen erben. Außerdem glaube ich kaum, dass dieses Mädchen ihr Typ wäre. Sie ist Medizinstudentin, kein Ökofreak.«
Daniels’ Kiefer spannten sich.
Finch benahm sich wie ein Arschloch, das nur an sich selbst dachte. Sie konnte sich bereits die Tirade vorstellen, die Gormley auf dem Heimweg loslassen würde. Als sie Jessicas Vater jetzt anblickte, machte sie sich nicht die Mühe, ihren Abscheu zu verbergen. »Ein junges Mädchen ist tot, Mr Finch. Ein Mädchen, das Sie mit eigenen Augen gesehen haben, als es auf einer Bahre im Leichenschauhaus lag. Ihre Eltern sind
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