Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
einem Autounfall umgekommen ist?«
Daniels nickte leicht.
»Nun, Jess ist davon überzeugt, dass Adam dafür verantwortlich war. Sie behauptet, dass er besoffen gefahren ist, aber … nun, um es geradeheraus zu sagen, die Polizei hat nichts unternommen. Sie schwört, dass die Polizei ihn gedeckt hat.«
»Das ist eine ziemlich heftige Anschuldigung.« Obwohl ihr die Richtung nicht gefiel, in die sich die Unterhaltung entwickelte, wuchs ihr Interesse doch. »Wie kam sie darauf?«
»Vergessen Sie bitte nicht, dass sie damals noch sehr jung war.«
Daniels ermutigte sie weiterzusprechen.
»Bis heute erinnert sie sich an einen starken Alkoholgeruch in Adams Atem, als er ihr sagte, dass Beth, ihre Mutter, nie mehr nach Hause kommen würde. Zuerst war ich mir sicher, dass sie sich irrte. So jung so schlimme Nachrichten zu erhalten muss traumatisch gewesen sein. Ich dachte, sie hätte vielleicht ihre Erinnerungen durcheinandergebracht, keine Ahnung, vielleicht haben sie sich, während sie älter wurde, als Tatsache eingeprägt. Möglich wäre es, meinen Sie nicht?«
»Und jetzt haben Sie Ihre Meinung geändert?«
Fielding nickte. »Je mehr sie darüber gesprochen hat, umso mehr war ich davon überzeugt, dass sie tatsächlich etwas wiedererlebte, was sich schon millionenfach in ihrem Kopf abgespielt hatte.«
»Menschen trinken, wenn sie jemanden verloren haben, der ihnen nahestand, oder? Das bedeutet nicht …«
»Ich stimme Ihnen voll und ganz zu. Aber Jess hat erzählt, dass Adam verstört war und tagelang nicht aufhören konnte zu weinen.«
»Wie schon gesagt, man würde nichts anderes erwarten von jemandem, der frisch verwitwet ist.«
»Das stimmt auch wieder. Aber Jessica schwört, dass sie ihn weder vorher noch nachher jemals so gesehen hat. Sie kennen den Mann: steife Oberlippe und der ganze Mist. Kommt er Ihnen wie ein Mann vor, der sein Herz auf der Zunge trägt? Das ist wirklich nicht sein Stil. Na ja, das ist alles, was ich weiß.« Fielding sah auf die Uhr. »Wollen Sie mit mir zu Abend essen?«
Daniels schaute sie nur an.
»Auch Detectives müssen essen, oder etwa nicht?«
Auch Detectives müssen essen, oder etwa nicht?
Daniels spürte, wie ihr Magen sich überschlug. Jo hatte dieselben Worte benutzt, vor langer Zeit, als Daniels wegen beruflicher Verpflichtungen eine Einladung zum Abendessen abgelehnt hatte. Bei der Gelegenheit damals hatte sie ihre Meinung geändert und es nie bereut. Bevor alles schiefging. Vielleicht war es an der Zeit, neu anzufangen. Einen Augenblick lang beneidete sie Fielding. Sie war eine eigenständige Künstlerin, musste sich vor niemandem rechtfertigen, selbstbewusst und außerdem erfolgreich – wie es aussah, war sie eine Frau ohne Ballast. Sie genoss das Leben. Und warum auch nicht? Nach ihrer Website zu urteilen hatte sie großes Talent, das sie auch voll ausschöpfte. Ihre Fähigkeiten waren auf der ganzen Welt gefragt. Es war erfrischend, jemanden kennenzulernen, der so offensichtlich die Freiheit hatte, sich auszudrücken, ohne Angst zu haben, abgestempelt, angeprangert oder durch Vorurteile und Engstirnigkeit daran gehindert zu werden, es bis ganz nach oben zu schaffen.
Daniels kam sich vor wie eine Schwindlerin. Sie hatte stets den Weg des geringsten Widerstands gewählt, hatte ihre Sexualität verborgen, um ihrem beruflichen Ehrgeiz gerecht zu werden. Und je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr wurde ihr klar, dass Fielding so weit von ihr entfernt war wie nur irgend möglich. Und das machte sie neugierig.
»Sie sind mit jemandem zusammen.« Fielding sah enttäuscht aus. »Natürlich sind Sie das, warum auch nicht? Das ist wirklich schade, Kate Daniels.«
Ein Lächeln breitete sich auf Daniels’ Gesicht aus. Sie kannte ihren Namen schon.
Fielding fragte: »Sie nehmen es mir nicht übel, dass ich gefragt habe?«
Daniels schüttelte den Kopf. Sie hatte sich seit einer Ewigkeit nicht mehr zu jemandem hingezogen gefühlt und wollte gerade etwas sagen, das sich lächerlich anhörte, als ein leises Klopfen an der Tür sie daran hinderte.
»Oh, sorry, ich wusste nicht …«
Jos Stimme blieb ihr im Halse stecken. Es war offensichtlich, dass sie in etwas Heikles hineingeplatzt war. Eine ohrenbetäubende Stille breitete sich im Zimmer aus. Einen Herzschlag lang stand sie nur da wie festgewachsen, dann sagte sie schließlich, dass sie auch später miteinander sprechen könnten. Es war ein verfänglicher Augenblick. Fieldings durchdringender Blick flog von Jo
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