Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
haben wollten, liegt auf Ihrem Schreibtisch.«
»Zeug?«
»Beth Finchs Unfallprotokoll«, erinnerte sie Carmichael. »Es war einer von uns.«
Daniels dankte ihr und schickte sie nach Hause. Dann ging sie direkt in ihr Büro, brühte sich einen Kaffee auf und rief Weldon an. Die Suche lief jetzt auf vollen Touren, aber bisher gab es nichts zu berichten. Keine Spur von Aktivität in einem der Minenschächte, in die sie bisher gegangen waren.
Sie vereinbarten, in Kontakt zu bleiben.
Daniels legte auf, trank einen Schluck Kaffee, legte die Füße auf den Schreibtisch und wandte ihre Aufmerksamkeit dem Protokoll zu, das Carmichael ihr hingelegt hatte. Es war ein dünnes Dokument, nur zwei Seiten lang, und begann mit Finchs Darstellung des Unfalls, wie sie von dem Beamten am Unfallort aufgenommen worden war:
Mr Adam Finch, der Fahrer, behauptet, dass sein Fahrzeug – ein Mercedes Benz der 300er Klasse – auf der A696 bei Belsay von der Fahrbahn abgekommen sei, als ein unbekanntes Fahrzeug, beschrieben als ein Kleinwagen mit Steilheck, plötzlich aus der B6544 herausgeschossen kam, weswegen er zu einem heftigen Ausweichmanöver gezwungen war, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Der Wagen fuhr weiter, ohne anzuhalten.
Daniels’ Blick wanderte die Seite hinunter auf eine Skizze, die den genauen Ort bezeichnete, an dem der Unfall geschehen war, einschließlich der Richtung, in die der Mercedes gefahren war, sowie der Position, in der der Wagen stand, nachdem er plötzlich an einem Baum zum Stillstand gekommen war. Sie kannte die Straße gut; eine unbeleuchtete, gefährliche Strecke, mit einer scharfen Rechtskurve, die auch unter besten Bedingungen schwierig zu nehmen war.
Sie las weiter und erfuhr, dass am 8. November 1993 um 01:26 Uhr in der Notrufzentrale ein Anruf eingegangen war, der von zwei Verletzten und einer Frau berichtete, die bewusstlos und dringend hilfsbedürftig am Unfallort lag. Der Fahrdienstleiter hatte sofort einen Streifenwagen, einen Krankenwagen und zwei Feuerwehrfahrzeuge losgeschickt. Der Streifenwagen war zuerst vor Ort gewesen, und der Beamte hatte Beth Finch in schlechtem Zustand und noch immer im Wagen eingeklemmt vorgefunden. Die Rettungssanitäter kamen als Nächstes. Sie schafften es, sie herauszuschneiden, und transportierten sie per Krankenwagen in die Notaufnahme des Newcastle General Hospital.
Bei ihrer Ankunft wurde sie für tot erklärt.
Es war ein unauffälliger Unfallbericht, wie viele andere, die Daniels über die Jahre gelesen hatte. Sie blätterte die Seite um und fand eine Notiz: Atemtest des Fahrers negativ . Als ihr Blick auf die Identität des Beamten fiel – Name, Dienstgrad und Nummer –, wurde ihr übel.
46
Jessica schwebte …
Die Stimme ihres Vaters, streng und unfreundlich, schien nah und zugleich sehr weit weg zu sein. Sie hatte nicht ungehorsam sein wollen. Nicht wirklich. Aber er hatte kein Recht mehr dazu, ihr zu sagen, was sie tun und lassen sollte. Sie war erwachsen und fällte ihre eigenen Entscheidungen. Robert fiel ihr ein. Sie fragte sich, ob er wohl nach ihr suchte. Natürlich tat er das, sie beteten einander an. Sie hatten eine gemeinsame Zukunft, ganz gleich, was ihr Vater sagte. In ihrem Bewusstsein malte sie sich Robert so aus, wie er ausgesehen hatte, als sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, fröhlich und lächelnd, als sie ihm von ihren Plänen erzählt hatte, sich von ihrem Vater unabhängig zu machen und im Ausland Arbeit zu finden.
Wie lang war das her?
Einen Tag?
Eine Woche?
Jessica hielt sich an seinem Bild fest.
Sie fühlte sich gut und warm und …
Sie fing an zu weinen.
Nein! Sie konnte es sich nicht leisten zu weinen. Tränen waren kein Ausdruck mehr dafür, wie unglücklich sie war, sondern kostbare Flüssigkeit, die sie brauchte, um am Leben zu bleiben.
»Hör auf zu heulen!« Wieder die Stimme ihres Vaters.
Hatte der Mann denn kein Mitleid?
»Dad?«, rief sie in die Dunkelheit hinein. » Dad? Dad? Dad? Dad? «
Bitte, Dad, finde mich, bevor es zu spät ist.
Jessica sah in das steigende Wasser hinunter und fragte sich, wie lange es wohl dauerte, bis man ertrank. Sie hatte irgendwo gelesen, dass Ertränken früher dazu benutzt wurde, um zu bestimmen, ob eine Frau eine Hexe war oder nicht, wobei man davon ausging, dass die Schuldigen oben treiben würden, die Unschuldigen aber nicht.
Nun, sie war unschuldig, aber sie wollte nicht ertrinken.
Nicht hier …
Und plötzlich war alles, woran sie denken konnte, wie das
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