Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
fragte Daniels ruhig. Der Mann erbleichte, als sie ihren Dienstausweis hochhielt. Die Ampel sprang um, und sie fuhr mit quietschenden Reifen davon, während der Motor des Vauxhall absoff. Sie grinste Gormley an, schon ein bisschen besser gelaunt. »Vielleicht benimmt er sich nächstes Mal besser.«
Sie fuhren weiter nach Osten in Richtung Tynemouth, und beide schwiegen, während die Kilometer schnell vorbeiflogen. Am Ende der Küstenstraße nahm Daniels die zweite Ausfahrt links, fuhr an einer Schule und einem Schwimmbad vorbei, während die Straße schmaler wurde, und kam dann auf eine breite Allee, die früher mal »Millionärszeile« genannt wurde. Sie hatte nie ganz verstanden warum. Die Häuser auf beiden Seiten waren groß, jedes sah anders aus, und zu ihren besten Zeiten waren sie wahrscheinlich der letzte Schrei gewesen. Aber jetzt sahen sie traurig und überaltert aus und lagen ganz sicher nicht da, wo Daniels gerne leben würde.
In kürzester Zeit erreichten sie ihr Ziel. Daniels stellte den Motor ab, machte aber keinerlei Anstalten, aus dem Wagen zu steigen. In Brights Haus war kein Lebenszeichen zu sehen. Kein Licht brannte im Wohnzimmer. Die Vorhänge waren unordentlich und ohne Sinn für Ästhetik zurückgezogen, eine Seite mehr als die andere, ein Strauß toter Blumen stand in einer Vase auf der Fensterbank.
Es war die dunkle, leblose Hülle eines Hauses.
Daniels schluckte schwer und fragte sich, was zum Teufel Stella Bright in dieser Situation gemacht hätte. Zweifellos hätte sie ihm die Ohren langgezogen und ihm gesagt, er solle sich zusammenreißen. Hätte ihm gesagt, er solle mehr Selbstachtung haben und aufhören, der Vergangenheit nachzutrauern. Aber der Mann trauerte noch und war nicht in der Lage zu akzeptieren, dass sie von uns gegangen war. Und dabei konnte Daniels ihm nicht helfen.
Gormleys Stimme drang durch ihre Traurigkeit.
»Willst du, dass ich mitkomme?«, fragte er. »Ich glaube, du könntest einen Schiedsrichter brauchen.«
Er wusste die Antwort schon, bevor er die Frage gestellt hatte. Sie schüttelte den Kopf, obwohl sie seine Besorgnis zu würdigen wusste. Jeder verdiente einen Gormley. Er war eher ein kuscheliger großer Bruder als ihr Detective Sergeant. Ihre starke Schulter in Krisenzeiten, jemand, der sie niemals im Stich lassen würde. Doch hier kam es ihr nicht richtig vor, ihn in ihren Streit zu verwickeln. Und dafür gab es einen guten Grund. Einen Grund, den sie jetzt nicht mit ihm teilen wollte.
Sie löste den Sicherheitsgurt. »Mach ein Nickerchen. Du siehst aus, als könntest du eins gebrauchen.«
Sie stieg aus, wobei sie seinen Blick im Rücken fühlte, öffnete das Tor und ging den Pfad durch den Vorgarten entlang. Sie klingelte an der Haustür. Ein paar Sekunden später tauchte Bright auf. Er war sichtlich überrascht, sie hier zu sehen.
»Gibt’s ein Problem?«, fragte er.
»Sag du’s mir«, sagte sie und drängte sich in seinen Flur.
»Was zum …« Verblüfft über ihre Grobheit stand Bright nur da und hielt die Tür halb offen. Er hatte eine Fahne. »Na ja, dann komm rein.«
Als er begann, die Tür zu schließen, sah er auf den Toyota. Gormley starrte mit grimmigem Blick zurück. Bright grüßte den DS mit einem Nicken, schloss die Tür und folgte Daniels in sein Wohnzimmer, wobei sein Gesicht vor Scham errötete, als sie sich in dem verdreckten Zimmer umsah. Der Fernseher lief, die Lautstärke war hochgedreht. Ein paar leere Bierdosen lagen auf dem Boden, zusammen mit einem Pizzakarton und den Überresten des Abendessens vom Vortag.
»So verbringst du also deine Freizeit.« Daniels hörte sich eher an wie eine nörgelnde Exfrau als wie eine untergeordnete Kollegin. Mit einem enttäuschten Gesichtsausdruck hob sie die Fernbedienung auf und stellte den Fernseher aus. »Dann erzähl mir mal von Beth Finch.«
»Was ist mit ihr? Sie ist seit Jahren tot.« Bright hielt eine Bierdose hoch.
Daniels schüttelte den Kopf. »Wasser, in einer Flasche, wenn du so was hast – ansonsten Leitungswasser.«
Bright ließ sie allein und ging in die Küche. Sie wartete einen Moment, dann fiel ihr Blick auf ein Foto von Bright und Stella in besseren Zeiten, sein Arm um ihre Taille vor einer tollen Hütte in Neuseeland im weltberühmten Treetops Resort, wo sie ihre Silberhochzeit gefeiert hatten.
Das Geräusch von zerbrechendem Glas schreckte sie auf.
Sie ging in die Küche und fand Bright auf Händen und Knien damit beschäftigt, die Überreste eines Glases mit
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