Ich will vergelten: Thriller (German Edition)
eine Frage ab: »Teilt er sein Büro mit jemandem?«
»Nein. Er arbeitet allein, am Anfang des Flurs. Wir sind auf dem Weg hierher daran vorbeigekommen.«
Die Luft war plötzlich elektrisch geladen. Daniels warf Gormley einen hoffnungsvollen Blick zu. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen dachten sie beide dasselbe. Freek könnte sich einer Menge Verbrechen schuldig gemacht haben, von denen einige ernster waren, als Carmichael eine gesundheitsschädliche Substanz eingeflößt zu haben: Körperverletzung, Einkünfte aus gewerbsmäßiger Unzucht, die Entführung von Jessica Finch, der Mord an Amy Grainger – alles oder nichts davon.
»Ich könnte es Ihnen zeigen, wenn Sie möchten«, bot Conway an.
»Das wäre nett«, sagte Gormley. »Es ist selten, dass sich jemand derart kooperativ zeigt.«
»Oh, reinlassen kann ich Sie allerdings nicht«, zog sich Conway zurück und ging plötzlich in die Defensive. »Ich fürchte, dazu bin ich nicht befugt. Aber ich kann Ihnen gern zeigen, wo er sich normalerweise aufhält.«
»Das reicht nicht«, gab Gormley bissig zurück, jetzt enttäuscht.
Daniels konnte nicht anders, als sich zu wünschen, dass sie es mit Maria Wilson zu tun hätten, Jessicas Tutorin, der quirligen Frau, die so erpicht darauf gewesen war, ihnen bei ihren Nachforschungen zu helfen. Wenn es irgendetwas gibt, das wir tun können, egal was, brauchen Sie es uns nur zu sagen , hatte sie gesagt und es auch so gemeint. Sie gab ihrer Frustration mit einem Seufzen Ausdruck und dachte daran, Conway anzulügen und ihr zu sagen, dass sie bereits eine Genehmigung hatten, aber das würde nicht funktionieren. Da ihr nichts Besseres einfiel, sah sie Gormley an und hoffte dabei auf eine Eingebung. Der zog seinen Stuhl ein wenig näher an Patricia Conways Schreibtisch, stützte seine Ellbogen darauf und faltete die Hände vor sich, wobei er ihr tief in die Augen sah. Sie dachte wahrscheinlich, er würde etwas Nettes sagen, an ihre Güte appellieren.
Sie irrte sich.
»Es ist so«, begann er. »Wir ermitteln in einem sehr ernsten Fall, und wir könnten Ihre Hilfe wirklich gebrauchen. Wir brauchen dringend Informationen über Freek, und wenn wir es auch zu schätzen wissen, dass Sie ungern persönliche Informationen preisgeben, so gibt es die Ausnahmen zum Datenschutz doch aus guten Gründen, wie Sie sicherlich wissen. Ausnahmen, die über diesem ganzen Unsinn …«
»Er meint zur Verhinderung oder Aufklärung eines Verbrechens.« Daniels schnitt ihm das Wort ab, bevor er etwas sagte, was sie beide bereuen würden. Es war keine gute Idee, die Frau zu irritieren. Ohne ihre Mitarbeit würden sie nicht weit kommen. »Ich werde Ihnen die Wahrheit sagen. Wir müssen Freeks Computer durchsuchen, bevor er merkt, dass wir hinter ihm her sind.«
Conway dachte einen Augenblick nach. Dann setzte sie sich gerade hin und tippte einen Befehl in ihre Tastatur. »Ich muss mal kurz raus, würden Sie mich bitte entschuldigen?«
Die Verwaltungsleiterin verließ den Raum.
Daniels drehte den Bildschirm so herum, dass sie ihn sehen konnten. Darauf war ein Bild von Stephen Freek: älter, gut gekleidet, aber offensichtlich in Pose für die Kamera. Er war es, und er sah aus wie ein Volltrottel. Unter seinem Foto standen all die Daten, die sie suchten: voller Name, Adresse – die, wie Daniels bemerkte, ganz in der Nähe ihrer eigenen lag –, eine Sozialversicherungsnummer und außerdem Telefonnummern. Gormley schrieb alles auf. Dann ging die Tür auf, und Patricia Conway kam wieder herein.
Daniels dankte ihr. »Wir werden die Quelle nicht verraten.«
»Und jetzt würden wir gern sein Büro sehen«, setzte Gormley hinzu.
Conway nickte.
»Warum können Sie ihn nicht ausstehen?« Daniels stellte die Frage beiläufig, als sie das Büro verließen. Sie bogen links ab und gingen durch den Flur zurück in Richtung des Empfangs. Conway antwortete nicht sofort, tappte nur weiter vor ihnen her, wobei ihre ausgelatschten Schuhe auf dem Linoleum klatschten und ihr Kleiderzelt beim Gehen wogte. Sie blieb vor einem Büro ein paar Türen weiter stehen und drehte sich zu ihnen um.
»Inoffiziell?«, fragte sie.
Beide Polizeibeamten antworteten mit einem Nicken.
»Freek hält sich für ein Gottesgeschenk für Frauen. Dabei ist er ein widerliches kleines Arschloch, und mit dieser Meinung bin ich nicht allein. Er ist hier nicht gern gesehen, besonders nicht bei den weiblichen Angestellten, aber nicht nur bei denen. Werden Sie mir sagen, worum es hier
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