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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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sind nicht besonders angesehene Leute.« Mir war der Zigeuner, also Roman, richtig sympathisch und so setzte ich mich ein paar Minuten später, als alle Leute etwas zu trinken vor sich stehen hatten, zu ihm hin und er erzählte mir ein paar Sachen vom Zigeunerleben. Wenn man ihm so zuhörte, fand ich die ganze Sache sehr romantisch, und in mir kam der Wunsch auf, auch ein Zigeuner zu sein. Mir gefiel alles, was er erzählte, und dann sprach er auch noch von der Toten, und daß sie eine wichtige Rolle in der Sippe gespielt hatte. Sie konnte angeblich aus der Hand lesen und die Zukunft voraussagen, und alle Leute aus der Sippe sollen immer zu ihr gegangen sein, wenn sie ein Problem hatten. Also sie war praktisch so eine Art Seelsorger für die ganze Sippe und mußte auch noch eine besonders nette Frau gewesen sein und, wie ich aus seinen Erzählungen mitbekam, auch verdammt viel Verständnis für alles gehabt haben. Und dann sagte er: »Siehst du, so schlimm sind wir gar nicht und auch ich hatte die Tote sehr gerne.« »Ich hatte nie daran gedacht, daß ihr schlimme Leute seid, im Gegenteil, ich kann nichts Schlechtes von euch sagen.« Im geheimen trauerte ich nun auch um die Tote und ich hätte sie gerne einmal kennengelernt und mit ihr gesprochen.
    Diesmal schien er meine Antwort zu glauben, denn es war ja auch ehrlich. Nicht ich hatte die Vorurteile gegen die Zigeuner, sondern Pappa und Mutti.
    Dann erzählte er mir noch, wo sie immer rumziehen, und dabei erfuhr ich auch, daß sie öfter in Villingen sind und dort auch schon gelagert hatten. Er lud mich ein, wenn ich mal Zeit hätte in ihr Lager zu kommen, und ich könnte mir dann auch mal die Zukunft voraussagen lassen. Ich nahm das Angebot an, aber ich wußte auch, daß das niemals gehen würde, auch wenn ich noch so gerne mitgegangen wäre. Dann wurde ich wieder vom Tisch gerufen, und ich mußte ein paar Gäste bedienen, die nichts mehr zu trinken hatten. Die Gesellschaft der Zigeuner blieb bis in den späten Nachmittag. Dann erhoben sich die Leute langsam und verabschiedeten sich von den anderen, die noch ein wenig dablieben. Da alles auf eine Rechnung kam, mußte ich nicht aufpassen, wer von den Leuten ging. Als nur noch zwei von den Zigeunern da waren, es waren Roman und dessen Vater, kam Roman zu mir und bat mich, die Rechnung zusammenzustellen, denn sie wollten auch aufbrechen. Ich stellte dann in aller Ruhe die Rechnung auf und ich ließ mir Zeit, damit ich nichts übersah, da ich ja Mutti die Rechnung zur Kontrolle vorlegen mußte. Als ich die Rechnung fertig und sie auch Mutti zur Kontrolle vorgelegt hatte, ging ich damit zu Roman, und dessen Vater bezahlte sie anstandslos. Romans Vater verabschiedete sich dann bei mir und verließ gleich das Lokal. Roman sagte dann noch zu mir: »Du scheinst nicht sehr glücklich zu sein, aber trotzdem bist du ein feiner Kerl. Du wirst bestimmt noch viel Ärger haben in deinem Leben, aber laß dich nicht unterkriegen. Und übrigens, ich fand es nett von dir, daß du gelogen hast, als ich dich auf die Meinung deiner Eltern über uns ansprach, aber ich kann ihre Meinung aus dem Gesicht lesen. Also dann, auf Wiedersehen, und wenn du später mal Hilfe brauchst, du bist immer bei uns willkommen.« »Ja, danke, auf Wiedersehen, Roman«, sagte ich noch. Dann drehte sich Roman um und verließ das Lokal.
    Ich sagte Mutti nicht, was ich mit Roman gesprochen hatte, denn sie fragte mich danach. Ich log sie eben einfach an und sagte nur, daß er unser Lokal bewundert hatte. Darauf sagte sie mir noch: »Ich bin froh, daß das elende Pack draußen ist, die gingen mir langsam auf die Nerven.« Am liebsten hätte ich jetzt Mutti die Meinung gesagt und ihr erklärt, daß es auch Menschen sind und sogar noch bessere als wir. Daß die Leute viel mehr Verständnis haben und auch anständiger und aufrichtiger sind als unsereins, und daß sich da einige eine Scheibe davon abschneiden könnten.
    Leider konnte ich das nicht, da es sonst nur Ärger gegeben hätte, da ich ja Muttis Einstellung gegenüber den Zigeunern nun kannte.
    Ich räumte dann den Rest der Tafel ab und machte meine Arbeit normal weiter.
    Nachts lag ich dann im Bett und dachte nach, was Roman so gesagt hatte und vor allen Dingen das, was er zum Schluß gesagt hatte. Ich schlief ein mit dem brennenden Wunsch, auch ein Zigeuner zu sein.
    Am nächsten Morgen ging ich ebenfalls nicht zur Schule, da Mutti meinte, sie sei krank und ich müßte das Lokal morgens aufmachen. Naja, ich

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