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Ich wollte Liebe und lernte hassen

Titel: Ich wollte Liebe und lernte hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Mertens
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bestimmt um, und dann ist Ruhe.« »Okay«, gab ich nur noch zur Antwort und der Fall war dann für Mutti erledigt.
    Ich brachte Pappa das Getränk und er trank es in einem Zug leer, dabei dachte ich: Wenn ich ihm das Zeug jetzt da reingeschüttet hätte, würde er es jetzt in einem Zug ganz ahnungslos runterkippen und später wieder hundemüde sein, und Mutti hätte das gut gefunden.
    Pappa bekam nun immer von dem Zeug, wenn es Mutti nur möglich machen konnte, so daß er immer im Halbtraum rumgelaufen ist. Ich überlegte mir schon, ob ich die ganze Geschichte Pappa sagen sollte, aber dann würde es einen höllischen Ärger geben und Pappa würde Mutti eine gewaltige Abreibung verpassen. Also war es besser ich sagte nichts und machte immer die Augen zu, damit ich nichts sah, und wenn jemand nichts sah, konnte er auch nichts weitererzählen.
    Natürlich war das keine Lösung, aber für mich war es die beste Lösung, und natürlich für Mutti auch, nur für Pappa eben nicht und das wollte nicht ganz in mein Hirn gehen.
    Eines Tages hatten wir eine Zigeunerbeerdigung bei uns angemeldet. Es waren rund fünfzig Zigeuner und alle in schwarzem Anzug und schwarzen Kleidern, sogar die Kinder waren alle schwarz angezogen. Es war eine alte Frau gestorben aus ihrer Sippe, und da zu einer Beerdigung auch ein Leichen-schmaus gehört, so machten sie ihn bei uns im Gasthaus. Pappa hatte sich vom Wienerwald freigenommen, um mir beim Bedienen und den Vorbereitungen zu helfen. Ich ging an diesem Tag auch nicht zur Schule und konnte am frühen Morgen schon anfangen, die Tafel nach Muttis Anweisungen zu decken. Pappa half mir und so waren wir auch schnell damit fertig. Der Nachbar, der ein gelernter Koch war, und Mutti kochten das Menü für die Zigeuner. Gegen elf Uhr traf die Gesellschaft ein, und Mutti sowie Pappa begrüßten die Leute und sprachen auch ihre Anteilnahme zu dem großen Verlust aus, den die Sippe hatte. Wenn die Zigeuner gewußt hätten, daß Mutti und Pappa, bevor sie gekommen sind, einen Haufen Widerlichkeiten gesagt hatten, dann wären sie bestimmt nicht zu uns zum Essen gekommen. So zum Beispiel sagte Pappa:
    »Schon wieder einer von dem Dreckspack weniger.« Und Mutti sagte: »Um das Gesindel ist es nicht schade, von mir aus können sie alle nacheinander verrecken.« Und dann standen sie beide da und machten ein trauriges Gesicht und verkündeten auch noch ihre Anteilnahme.
    Pappa und ich brachten den Zigeunern dann die Getränke und das Essen. Die Leute aßen gesitteter als manch anderer Gast, der kein Zigeuner war, und das wunderte mich, denn Mutti hatte gesagt: »Da sollte man sich gar nicht so viel Mühe geben, denn ich habe schon mal Zigeuner bedient und die fressen wie die Schweine.« Den Leuten schmeckte das Essen vorzüglich, und als sie fertig waren, sagte fast jeder von sich aus, ohne daß ich ihn fragen mußte, so wie es normalerweise üblich ist, daß das Essen einwandfrei war und es sehr gut gemundet hatte. Für mich waren die Zigeuner Menschen wie die anderen auch, aber für Mutti und Pappa anscheinend nicht. Denn normalerweise setzte sich Mutti nach dem Essen zu den Gästen, die bei ihnen gespeist hatten, und unterhielt sich mit ihnen, da sie ja sowieso noch eine Weile da sein und etwas trinken würden. Aber diesmal setzten sich Mutti und Pappa nicht zu den Gästen, sondern an den Stammtisch zu den Leuten, die öfters zu uns kamen. Ich bediente dann allein weiter, da jetzt ja nur noch Getränke verlangt wurden, und ich die Hilfe von Pappa nicht mehr benötigte. Als Mutti und Pappa dann am Stammtisch saßen, würdigten sie die Zigeuner keines Blickes mehr, als wenn sie Aussätzige wären, die irgendeine Krankheit hätten und man sich vom bloßen Anblick schon anstecken könnte. Ich verstand es nicht so recht, aber ich sagte nichts.
    Dann kam ich mit einem der Zigeuner in ein Gespräch. Er hatte den Namen Roman und sah auch richtig wie ein Zigeuner aus, mit seinen schwarzen Haaren und dem komischen Ohrring, der mir ins Auge stach. Er sagte: »Sind das deine Eltern, die da bei den anderen am Stammtisch sitzen?« »Ja.«
    »Die scheinen wohl nicht besonders begeistert von uns zu sein.« »Ach ne, die sind immer so, die machen sich nie große Gedanken um ihre Gäste.« Ich bekam ein ganz komisches Gefühl und ich kam mir vor, als wenn Roman durch mich hindurchschauen und sehen würde, daß ich ihn anlüge. »Ich weiß schon, wie die Leute über uns reden, und ich kann auch deine Eltern verstehen, wir

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