Ich zähle bis drei

könnte jeden der übrigen Gäste ermuntern, seinerseits zu
sagen, was die anderen von Charlie wollten. Eine Art neuen Gesellschaftsspiels,
um die Party anzuwärmen.«
    »Sie werden es zweifellos
merken, wann es danach für Sie zu warm wird, Boyd .« Er
grinste unangenehm. »Weil das nämlich der Zeitpunkt sein wird, an dem die
Unfälle passieren .«
    Die Tür schloß sich hinter ihm,
und ich blieb allein zurück mit dieser letzten, entnervenden Anspielung. Einen
Augenblick schloß ich die Augen, hoffend, es werde vorübergehen, aber alles,
was ich weiterhin lebhaft vor mir sah, war Waring, zusammengesackt in seinem
Sessel mit dem Heft eines Messers in der Kehle.
     
     
     

6
     
    Ich bezahlte so gegen halb fünf
meine Hotelrechnung und wurde etwas nervös, als Daphne um Viertel vor fünf
immer noch nicht da war. Ich ging hinüber zum Empfang und sah das Mädchen blaß
werden.
    »Man sagte mir, Sie hätten vor
knapp einer Stunde das Hotel verlassen«, wimmerte sie. »Deswegen glaubte ich,
ich könnte risikolos meine Arbeit wieder aufnehmen .«
    »Ich warte auf jemanden«,
erklärte ich ihr. »Hat man nach mir gefragt ?«
    »Niemand«, sagte sie bestimmt.
»Besonders niemand zwischen fünfundvierzig und fünfzig Jahren, mit stechenden
blauen Augen, einem ergrauenden Schnurrbart und einem ladestocksteifen Rücken.
Jemand mit dunklem Anzug und Melone kam überhaupt nicht in die Nähe des
Empfangs. Wollen Sie also bitte gehen ?«
    »Ich kann nicht, bis man mich
abholt«, erklärte ich sachlich. »Verstehen Sie das ?«
    »Nie!« Sie blitzte mich wild
an. »Wenn Sie nur einen Funken Anstand hätten, Mr. Boyd, würden Sie aufhören,
mich zum Wahnsinn zu treiben. Das Beste, was Sie tun können, wäre,
schnurstracks aus dem Hotel zu laufen und sich unter den ersten Bus zu werfen .«
    »Hallo ?« tönte eine schrecklich englische Stimme vom andern Ende des Empfangstisches.
»Miss Wieauchimmer , Empfangsdame, was immer Sie sein
mögen. Könnten Sie meinen Freund für mich ausrufen lassen? Ich soll mich hier
mit ihm treffen, aber in diesem verdammten Menschenauflauf kann ich ihn
unmöglich finden .«
    Das Mädchen wandte sich
eilfertig von mir fort. »Selbstverständlich, Madame. Wie ist sein Name, bitte ?«
    »Mr. Boyd.«
    »Entschuldigen Sie mich,
bitte«, sagte das Mädchen mit stumpfer Stimme und zog sich vom Empfang zurück. »Ich
muß ein paar Minuten fort .«
    Ich drehte mich um, und die
ehrenwerte Daphne Talbot-Frith stieß ein wahres Triumphgeschrei aus, als sie
mich entdeckte. »Ich habe dich überall gesucht, Danny .«
    »Gut, daß du mich gefunden
hast. Ich wollte mich gerade unter den ersten besten Bus werfen .«
    Sie trug einen lindgrünen
Pullover und einen Minirock aus schwarzem Leder mit einer silbernen Kette um
die Taille. Marlon Brando mußte jede Sekunde auf dem Motorrad hereinknattern
und sie für sich fordern.
    »Wir sollten uns beeilen«,
sagte sie, »der Portier hat mir gesagt, da, wo ich geparkt hätte, könnte ich
nicht bleiben, woraufhin ich ihm gesagt habe, was er mit sich tun könnte, wenn
er es nicht schon täte, und ich mutmaße nach seinem ekelhaft blassen Gesicht
und seinen zupfenden Händen, daß er es wahrscheinlich schon tat. Ich will ihm
nur nicht die Zeit geben, einen Polizisten zu finden, verstehst du ?«
    »Natürlich«, murmelte ich.
    Ein Page tauchte von irgendwo
auf und schnappte sich unter meinen zugreifenden Fingern den Koffer weg. Daphne
blickte besorgt vom Eingang auf die Straße, während ich dem Pagen das Trinkgeld
gab.
    »Schwein !« zischte sie leise. »Er hat tatsächlich einen Polizisten gefunden. Die beiden
warten an meinem Wagen .«
    »Reg dich nicht auf, Sandra«,
sagte ich zuversichtlich, »das regle ich schon .«
    »Sandra?« Sie starrte mich an.
»Bist du vielleicht doch von einem Bus überfahren worden ?«
    »Du bist Sandra«, machte ich
ihr klar, »still und scheu, und bitte richte dich danach .«
    Der Portier stieß einen schadenfrohen
Schrei aus. »Das ist sie, Wachtmeister. Sie hat hier geparkt. Die habe ich
gemeint .«
    »Ich fürchte, das passiert
immerzu«, schaltete ich mich ein. »Es macht Sandras Leben fast zur Hölle .«
    »Was reden Sie da ?« fragte der Portier mit wilder Stimme. »Das is ’ die, die...«
    »Sie irren sich«, sagte ich
fest, »trotzdem ein verständlicher Irrtum .« Ich
lächelte teilnahmsvoll den phlegmatischen Polizisten an, der offenbar noch
nicht abschätzen konnte, ob er seinen Strafblock brauchte oder nicht. »Eineiige
Zwillinge.