Ich zähle bis drei
höre bloß zu«, sagte ich
milde, »aber es darf einfach nicht wahr sein .«
»Was?«
»Daß sich bei Ihnen unter dem
massiv vergoldeten Äußeren irgendwo ein Minderwertigkeitskomplex versteckt .«
»Sie riskieren eine ganz schöne
Lippe, Boyd .« Es schien eine spontane Antwort zu sein,
trotzdem hatte ich das Gefühl, daß der Gedanke, einen Minderwertigkeitskomplex
zu haben, ihn amüsierte. »Amanda ist ruhelos«, fuhr er fort.
»Sie ist eine ausgesprochen
ehrgeizige Frau, und die großzügige Abfindung aus ihrer letzten Ehe reicht ihr
bei weitem nicht. Sie möchte als dritten Mann den Traummann. Er muß einen Namen
haben, großzügig mit seinen Millionen umgehen und dazu jung genug sein, um sie
bedienen zu können, wann immer sie es wünscht, was meistens der Fall ist. Sie
kann ihn in ihrem jetzigen Freundeskreis nie finden. Unten in Mexiko angelte
sie beharrlich nach Charlie, in der Hoffnung, er werde sie unter seine Fittiche
nehmen. Sie wußte, daß jene ganze wunderbare Welt, in die zu gehören sie sich
erträumte, sie akzeptieren würde, wenn Charlie ihr half .«
»Und jetzt könnte Sorcha ihr
helfen ?«
»Genau. Marvin Reiner ist so
verschlagen, daß er nicht mal seine linke Hand wissen läßt, was seine rechte
tut. Aber ich habe das Gefühl, als sei sein fernöstliches Empire ein halber
Mythos und als würde es bald ein kompletter Mythos, wenn es ihm nicht gelingt,
an einen Haufen Geld zu kommen. Soviel ich weiß, konnte er Charlie ein
korrektes Geschäft anbieten, genau wie Waring. Nur hatten beide dasselbe
Problem — sie mußten Charlie nüchtern zu fassen kriegen .«
»Was ist mit Daphne
Talbot-Frith ?«
»Da muß ich passen«, sagte er
sofort.
Ein bißchen zu sofort, fand
ich. »Nicht doch ein Versuch ?« half ich nach.
Er grinste langsam. »Wie ich
schon sagte, Sie sind ein Schlitzohr, Boyd .« Dann
wurde sein Gesicht sachlich. »Ich weiß es nicht, Boyd, und das stimmt. Man fügt
ein paar Teile zueinander und manchmal passen sie tadellos. Dann wieder zwingt
man sie und macht sich bloß vor, sie paßten tadellos .«
»Das ist genau die Art
Philosophie, die mir den Atem nimmt«, sagte ich mit ergriffener Stimme. »Ach,
bitte, Mr. Sheppard, wie ist Ihre geschätzte Meinung über die Zukunft des
Zen-Buddhismus ?«
»Machen Sie nur weiter so, dann
ramme ich Ihnen Ihren Schädel in den Nabel, damit Sie in Ruhe und ohne mich
dauernd zu unterbrechen meditieren können«, brummte er. »Vor einiger Zeit, als
Daphnes Vater der Ansicht war, sie sollte so weit weg wie möglich von ihm
leben, schickte er sie in die Staaten. Charlie war ein alter Freund von ihm,
und sie wohnte ein paar Monate bei ihm und seiner Familie. Das war lange bevor
Charlie Sorcha auch nur kennengelernt hatte, von Ehe gar nicht zu reden. Daphne
war noch ein halbes Kind, höchstens achtzehn, aber ich habe das Gefühl, daß sie
Charlie irgendwie wirklich liebte. Sie hatte immer eine Schwäche für ihn,
nüchtern oder betrunken. Vielleicht war er der erste Mann, mit dem sie ins Bett
gegangen ist. Eines jedenfalls war in Mexiko offensichtlich — sie haßte Sorcha
und gab ihr die Schuld daran, daß Charlie ein Säufer wurde .«
»Dann hat sie Sorcha auch für
seinen Tod verantwortlich gemacht ?«
»Zweifellos.« Er nickte. »Sie
war die einzige von uns allen, die etwas für und nicht von Charlie wollte. Sie war fassungslos über seinen Tod. Darum halte ich es für
denkbar, daß sie den Schmuck in der Hoffnung gestohlen hat, Sorcha zu treffen.
Es wäre eine Art Rache gewesen .«
»Als ich von Sorcha wissen
wollte, mit wem ich zuerst Kontakt aufnehmen sollte, schlug sie Daphne vor«, sagte
ich. »Glauben Sie, daß das von Bedeutung ist ?«
»Wie soll ich das wissen ?« Sein dröhnendes Lachen füllte den Raum. »Ich bin nur ein
kümmerlicher Philosoph, erinnern Sie sich ?« Er leerte
sein Glas und stand auf. »Ich glaube, es hat keinen Zweck, länger zu bleiben,
Boyd. Sie haben nichts mehr zu trinken, und Ihre Unterhaltung wird nachgerade
stumpfsinnig .« Er stellte sein Glas auf der Kommode ab
und ging zur Tür. »Ich schätze, wir sehen uns morgen bei der Hausparty .«
»Bestimmt«, sagte ich. »Ich bin
froh, daß Sie bei mir waren, mir wurde es schon langweilig ohne jedes
Gehirnfutter. Jetzt habe ich genug, um darüber den Verstand zu verlieren .«
»Sie werden sich ohne ihn
bestimmt wohler fühlen«, sagte er zuversichtlich.
»Sie haben sicher nichts
dagegen, wenn ich Sie am Wochenende zitiere ?« fragte
ich höflich. »Ich
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