Ich zähle bis drei
die ihnen von den Daumen der Gegnerin zuteil geworden war,
verschwollen, und ihren Körper zierte eine Serie von Kratzern, die von der
Kehle bis zum Nabel reichten. Wir Schiedsrichter entschieden uns unverzüglich,
die Prellungen wegen Zeitmangels nicht zu werten.
Sorcha hatte eine geplatzte
Unterlippe und eine Reihe scheußlicher roter Flecken am Hals. Das Jackett ihres
Hosenanzugs stand dem, was vom Kleid ihrer Gegnerin übriggeblieben war, in
nichts nach; ihr BH indes saß fast noch da, wo er hingehörte, eines der
Körbchen war allerdings so komplett unter einer Brust zusammengeknautscht, daß
Sorcha aussah, als habe sie Schlagseite. Natürlich hatte auch sie ihre Portion
Kratzer abbekommen, hauptsächlich auf Armen und Rücken. Die Schiedsrichter
berieten und entschlossen sich mutig zu einem Unentschieden. Dann zogen wir uns
zum Barschrank zurück, um die harte Entscheidung zu feiern.
Etwa bei der Hälfte unserer
Drinks angekommen, hörten wir einen klagenden Laut von Sorcha, die sich sitzend
den Kopf mit beiden Händen festhielt. Kurz danach wimmerte Amanda schrill auf,
drehte sich auf den Rücken und strampelte mit den Beinen. Nur Angabe,
entschieden die Schiedsrichter nervös. Dann fing Sorcha ein hysterisches Geheule an, in das kurz darauf Amanda einfiel. Der schaurige
Gesang steigerte sich zu ungeahnten Höhen, brach aber urplötzlich ab, als eine
Männerstimme fröhlich vom Eingang her ertönte.
»Ach, wie schön, wieder bei
euch zu sein!« Die Stimme strahlte vor Leutseligkeit. »Und wie schön zu sehen,
daß alles noch genauso ist wie in alten Zeiten.«
Ich betrachtete den
großgewachsenen, kräftig gebauten Neuankömmling und sah seine gefleckten braunen
Augen unter den schweren Brauen fast belustigt zwinkern. Er hob zum Gruß für
mich die rechte Hand nach echter Kumpelart.
»Hallo, Mr. Boyd!« Sein
schmallippiger Mund unter den ausgeprägten Nasenflügeln verzog sich zu einem
Lächeln. »Wie ich sehe, hält die Hausparty schon jetzt, was wir uns von ihr
versprochen haben .«
»Was sonst haben Sie erwartet,
Mr. Reiner ?« Ich nickte höflich. »Übrigens, wie macht
sich Harry eigentlich als Oben-ohne-Kellnerin ?«
8
Das Abendessen war kein
ausgesprochen fideles Unternehmen. Schon ein Gespräch in Gang zu bringen, war
schwer, weil Sorcha und Amanda einander schnitten und beide weder mit mir noch
mit Sheppard redeten. Daphne nahm weder mich noch Sorcha zur Kenntnis. Der
einzig Unbefangene am Tisch war Reiner, aber der Klang seiner Solostimme muß
selbst ihn nach einer Weile deprimiert haben, denn er gab irgendwann auf.
Sobald der Kaffee gereicht worden war, stellte Daphne sich auf ihre hübschen
Füße und starrte steinernen Gesichts zur Decke.
»Ich ziehe mich auf mein Zimmer
zurück«, verkündete sie. »Sollte jemand noch weitere Wünsche haben, möge er
bitte klingeln. Gute Nacht.«
»Setz dich«, sagte ich scharf.
»Du gehst nirgendwohin .« Ihre Wangen flammten
scharlachrot auf. »Wage du nicht, so mit mir zu reden, Danny Boyd. Schon gar
nicht in meinem eigenen Haus !«
»Das Haus gehört Papa«, zischte
ich, »und er warf dich vor nunmehr acht Jahren raus, erinnerst du dich ?«
Sie fiel zurück in ihren
Sessel, und mich wunderte nur, daß der Haß, mit dem sie mich anblitzte, ihr nicht
die Augäpfel aus dem Kopf sprengte.
»Angeblich bin ich zum Arbeiten
hier«, sagte ich zu den andern, »und ich werde sogar dafür bezahlt. Darum
schlage ich vor, jeder vergißt die Auseinandersetzungen und Zankereien, damit
wir wieder miteinander reden können. Wir alle wissen, daß der einzige Zweck
dieser Wochenendparty darin besteht herauszufinden, ob jemand Sorchas Juwelen
gestohlen hat .«
»Das wußte ich gar nicht«,
sagte Daphne strahlend, »ich dachte, hier findet eher das jährliche
Marathon-Betthüpfen statt !«
»Ist schon vorbei«, sagte
Sorcha mit einigen Schwierigkeiten wegen ihrer gespaltenen Unterlippe. »Und du
hast verloren .«
»Ich glaube, Boyd hat recht«,
sagte Reiner schwülstig. »Nennen Sie mich bitte Marvin .« Seine buschigen Brauen krausten sich anmutig. »Darf ich eine Frage an Sie
richten, Danny ?« *
»Natürlich«, sagte ich und
konzentrierte mich auf das Anzünden einer Zigarette.
»Warum haben Sie Edward Waring
ermordet ?«
Diese Frage hatte einen richtig
umwerfenden Erfolg am Tisch, vornehmlich bei Amanda und Ross Sheppard, die noch
nicht wußten, daß Waring tot war. Ich wartete, bis die Erregung sich ein
bißchen gelegt hatte, und studierte
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