Ich zog mit Hannibal
Gräben aushoben und Stämme herbeischleppten.Die Elefanten, von allen Arbeiten beurlaubt, trotteten ohne Widerstreben zum Fluss; nun besuchten sie ihn wie einen alten Bekannten. Zwischen Söldnern und Volskern kam es zu Tauschgeschäften. Von Süden her wehte ein Wind, der wohl tat. Die Waffen waren abgelegt worden. Sie wurden so sorglich behandelt, als sollten sie für absehbare Zeit nicht mehr hervorgeholt werden. Vom Krieg sprach keiner mehr.
Die Elefanten waren den Tag über am Fluss. Wie in Friedenszeiten trieben wir mit ihnen harmlosen Unfug, auch die Elefanten untereinander. Karthalo balgte sich mit dem Zwerg, erschreckte ihn durch tiefes Brummen, ließ sich von ihm verfolgen und stiftete mich dazu an, dem kleinen Elefanten von hinten auf den Rücken zu springen. Ich rutschte ihm in den Nacken, bevor er sich in Bewegung setzte, und nun konnte er mich nicht mehr abschütteln. Als er sich hinlegen wollte, sprang ich ab und versuchte ihn mit Salz zu versöhnen. Der Zwerg wollte nichts davon wissen, obgleich sein Indos, der Riese, ihm zuredete. Mit schlechtem Gewissen ging ich weg. Da spürte ich einen Schlag im Rücken. Ich fuhr herum, weil ich dachte, der Zwerg habe mir mit dem Rüssel eins ausgewischt – aber er stand noch am selben Platz. Der Riese und die anderen Treiber, die zugesehen hatten, lachten. Da sah ich vor meinen Füßen einen Lehmklumpen liegen; er war von mir abgeprallt: Der Zwerg hatte ihn mir nachgefeuert und mich getroffen. Nun war er zufrieden, das sah ich, jeder konnte das sehen. Mir war wieder wohler.
Bei sinkender Sonne kehrten wir ins Lager zurück. Dort gab es große Aufregung. Beim Ausheben einesGrabens waren Volsker auf einen gewaltigen Schädel gestoßen. Nachdem wir die Elefanten angepflockt hatten, gingen wir zu dem Platz vor Hannibals Zelt, wohin man den Schädel gebracht hatte. Er war halb mannshoch. Mit einem riesigen schwarzen Loch glotzte er uns an. Die Leute, die ihn gebracht hatten, versicherten, er sei leichter, als es den Anschein habe; aber auch ihnen sei er beim ersten Anblick nicht ganz geheuer vorgekommen, das gaben sie zu.
»Ein Zyklopenhaupt.«
Einer hatte das ausgesprochen, und weil niemand etwas anderes zu sagen wusste, gab es bei den Söldnern, die den unheimlichen Fund umstanden, kaum einen Zweifel, dass es sich um den Totenschädel eines Riesen aus versunkenen Zeiten handle. Nur ein paar Indos, Karthalo unter ihnen, schüttelten ihre Köpfe. Sie tauschten Blicke miteinander und schließlich äußerte Karthalo: »Aber wie kommt an die Rhone ein Elefant?«
»Ein Elefant?« Keiner wollte es glauben.
Da trat Hannibal mit Silenos aus seinem Zelt. Verwundert betrachtete er den Schädel.
»Er steckte mannstief in der Erde«, meldete der Hauptmann, der die Schanzarbeiten beaufsichtigt hatte.
»So einen Riesenschädel hat doch nur ein Elefant«, meinte Hannibal.
»Es ist ein Elefantenschädel«, bestätigte Karthalo und er trat an den Schädel heran und erklärte: »Was ihr für das Zyklopenauge haltet, ist das Rüsselloch.« Er zeigte die unauffälligen Löcher für die Elefantenaugen.
Nun konnte sich jeder den Schädel auf einem Elefanten vorstellen.
»Aber wie kommt ein Elefant hierher?«, fragte Hannibal.
»Er muss schon lange tot sein«, vermutete Silenos. Karthalo hatte beim Erklären den Schädel angefasst; ein Knochenstück war ihm in der Hand geblieben, so sehr waren die Knochen vermorscht. Der Riesenschädel sah nun noch mehr zum Fürchten aus, und da niemand eine einleuchtende Erklärung vorzubringen wusste, wieso ein Elefantenschädel hier an der Rhone gefunden werden konnte, so weit von den Ländern, in denen es Elefanten gibt, wurde Karthalos Behauptung wieder in Zweifel gezogen und schließlich hieß der Schädel im ganzen Lager nur noch »der Zyklop«.
Es gab viele, die ihn für ein Zeichen drohenden Unheils ansahen, und keiner verstand so recht, dass Hannibal ihn vor seinem Zelt liegen ließ.
Gegen Abend wurde in südlicher Richtung eine Staubwolke bemerkt. Sie kam rasch näher. Niemand befürchtete etwas bei ihrem Auftauchen, am wenigsten Hannibal. Er hatte seinen jungen Bruder am Morgen mit dreihundert Reitern stromabwärts geschickt, um sich zu vergewissern, dass dort keine Gefahr im Anrücken war. Die Hafenstadt an der Mündung des Flusses gehörte den Römern.
Nun kam Mago zurück. Er und seine Begleiter ritten auf abgehetzten Pferden ins Lager ein und im Schweiß manchen Pferdes war Blut. Auch Reiter waren verwundet. Und beinahe
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