Idioten auf zwei Pfoten
dort noch keine Beute gemacht. Ich weiß nicht, warum wir da noch hingehen. Aber wer versteht schon die Menschen?
14. Juli
Du fragst dich bestimmt, Alfonso, was die Madame so den ganzen Tag treibt. Die Menschen müssen immer irgendwas machen, das wissen wir ja. Sie können nicht in der Sonne dösen, so wie wir. Irgendwas mit ihnen stimmt nicht. Du weißt, dass es für die Möpse dieser Welt über Generationen hinweg zur edelsten Aufgabe gehört herauszufinden, wie wir den Menschen den Frieden bringen könnten. Trotz unserer hohen Intelligenz und immer wiederkehrender Rückschläge, die einzig und allein auf die Ignoranz der Zweibeiner zurückzuführen sind, sind wir festen Willens, dem Menschengeschlecht beizubringen, wie man richtig lebt.
Die Leute in Vila do Santo Chouriço gehen ja noch gemäßigt mit dem Tag um, aber hier, in diesem Deutschland, scheinen sie alle nur wild durcheinanderzurennen. Die Menschen haben verschlossene Gesichter. Nirgendwo vor den Häusern stehen Bänke, wo man sich zu einem Schwätzchen hinsetzen kann. Und wenn man Bänke sieht, dann stehen sie an strategisch uninteressanten Orten und sind aus kalten Metallrohren, auf die man sich nicht setzen mag, weil man sich die Hämorrhoiden holt, und für unsereinen sind sie schon gar nicht geschaffen, weil die Pfoten keinen Halt finden. So kann doch keine Muße entstehen. Stell dir nur vor, Pessoa hätte auf diesen Bänken sitzen müssen – nie hätte er all diese klugen Gedanken gehabt. Wer kann sich denn ohne Wärme und Bequemlichkeit den großen Fragen des irdischen Daseins widmen? Wenn einem der Hintern kalt wird, ist doch schon jeder Ansatz einer Philosophie für die Katz. Geschweige denn, man könnte sich seinem eigenen Gemüt und seinem persönlichen, geistigen Fortkommen widmen. Gedanken mögen keine Eile, Alfonso. Weisheit braucht Zeit, um zu reifen, und vor allem schätzt es die Weisheit, wenn der Geist sich an derselben Stelle befindet wie der Allerwerteste. Wir wissen das. Die Menschen wissen es nicht.
In Ermangelung von Sitzgelegenheiten rennen sie also durch die Straßen, irgendeinem ominösen Ziel entgegen; und wenn sie das nicht tun, dann rasen sie mit ihren Autos umher oder sitzen im Bus. Entweder ist also der Hintern an einer Stelle, aber der Geist wandert herum, oder umgekehrt. Das ist doch die Hölle.
Nun, ich muss sagen, meine Madame ist da etwas anders. In ihrem Leben gibt es nicht so viel Gerenne, also schöpfe ich Hoffnung, eines Tages doch noch bis zu ihr durchzudringen.
Nach unserem Morgenspaziergang durch den unvermeidlichen Park und dem Besuch beim alten Mann im Tabakladen (der ist nicht halb so interessant wie der Laden vom alten Oliveira) trinkt sie daheim Kaffee, isst ihr Brot, von dem sie mir nichts abgibt, und dann setzt sie sich an eine Kiste, die einen hohen, surrenden Pfeifton von sich gibt. Du weißt schon, die Menschen nennen es Computer. Der Enkel vom alten Oliveira hat auch so einen, und Oliveira hat Dona Clara mal erklärt, dass man damit mit der ganzen Welt in Kontakt treten kann. Er war mächtig stolz auf seinen Enkel, der sich mit der ganzen Welt unterhält, dabei habe ich gesehen, dass er die meiste Zeit damit verbringt, nackte Frauen anzuschauen. Meine Madame guckt sich keine nackten Menschen an, sie produziert Buchstaben mit ihrem Computer, während das Ding vor sich hin surrt. Mir tut das in den Ohren weh, aber sie scheint es nicht zu hören. Das erhärtet meinen Verdacht, dass es weder mit ihrer Nase noch mit ihrem Gehör zum Besten steht. Stundenlang starrt sie auf die Kiste und klappert mit den Fingern auf einem Brett herum. Manchmal guckt sie auch ganz lange in die Luft, um dann umso heftiger auf das Brett einzuhämmern. Das macht sie so lange, bis es Nachmittag ist, und dann gehen wir wieder hinaus auf die Straße. Manchmal trifft sie jemanden, mit dem sie sich unterhält. Ein paar von den Leuten, denen wir begegnen, beugen sich zu mir hinunter, streicheln, sich ihrer peinlichen Distanzlosigkeit nicht im Mindesten bewusst, meinen Kopf und zeigen mit dem Finger auf die Stelle, wo mein Auge fehlt. Dann machen sie immer besorgte Gesichter. Wenn sie mir zu nahe auf den Pelz rücken, knurre ich, und die Madame verabschiedet sich schnell.
Nach Hause zurückgekehrt, gibt es für mich die unvermeidliche Presspappe mit Wurstgeruch, und sie setzt sich wieder an die surrende Kiste. Wenn das jeden Tag so weitergeht, werde ich an Verwirrung, hervorgerufen von dem Geräusch, sterben, und sie auch,
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