Idioten auf zwei Pfoten
Gewürze, keine Kräuter, keine Röstaromen. Am liebsten hätte ich Madame alles vor die Füße gespuckt. Aber ich war so entsetzlich hungrig, weil ich das harte Pappe-Frühstück wegen der Zahnlücke verschmäht hatte, also habe ich es gegessen, während sie sich ein gegrilltes Kalbskotelett gegönnt hat. Ich kann es bald nicht mehr ertragen, dass sie immer alles alleine aufisst und sich aufführt wie der Boss der Bosse. Sie hat nicht im Geringsten die dazu nötigen Qualitäten. Sorgt sie etwa für angemessene Nahrung? Nahrung, die ich bevorzuge? Nein. Bewegt sie sich und spricht sie wie ein Rudelführer? Nein. Sie zetert herum, wenn ich die Nachrichtenbäume aufsuchen will oder quatscht stundenlang ins Telefon. Meistens hört es sich so an, als beklage sie sich über irgendwas – und dann, anstatt das Revier zu beobachten und die Grenzen zu sichern, zum Bespiel gegen diese stinkende Hündin, die mehrmals täglich durch den Hausflur paradiert wie die Gräfin Koks und Beschimpfungen knurrt, wenn sie an unserer Tür vorbeikommt, setzt sie sich wieder an ihre surrende Kiste. Und wenn ich der Stänkerin vor unserer Wohnungstür die Meinung sage, nämlich, dass sie ihren Hintern aus meinem Revier schieben soll, dann sagt Madame in sehr scharfem Ton: »AusundabindeinKörbchensitzundbleib!«, was wohl bedeuten soll, dass ich die Klappe zu halten habe. Die weiß doch gar nichts! Ich glaube, ich muss mal klarstellen, wer hier der Herr im Hause ist. Vor allen Dingen, bevor sie mir noch was wegschneiden lässt. Könnte ja sein, dass ihr plötzlich einfällt, dass ihr meine Rute nicht mehr gefällt, oder meine Ohren!
Wäre ja noch schöner, wenn ich, Dom João, vor einem Menschen zu Kreuze kriechen würde. Ab morgen gehört mir das Sofa, und ab übermorgen das Bett! Und dann zeige ich ihr mal die richtig interessanten Stellen im Park, und wenn mir diese Bulldogge noch einmal so einen schrägen Blick zuwirft, dann werden die Pfoten fliegen. Verlass dich drauf. Einen aus der Familie der Joãos guckt man nicht ungestraft von der Seite an! Vermutlich hat dieser Armani noch nie von meinem Urgroßvater Camôes III., dem Trovador gehört, der diese unvergesslichen Zeilen über die wahren Helden der Welt in einer Vollmondnacht in den Himmel sang:
»Oh, Mops aus Lusitanien, dem großen Land von güldner Pracht
Die Völker aller Welt Dir huldigen, Und jeder einen Diener macht.
Vor Deinen Pfoten sollen sie sich beugen – und von Deiner Kühnheit zeugen.
In blut’gen Schlachten unbesiegt bis heute, verteidigt Volk und Vaterland
Ein Herz aus Gold voran der Meute, Mein Schicksal leg ich gern in seine Hand.
Und drohte auch der Untergang der Welt – Wohl dem, der eines Mopses Pfote hält …«
Warum macht sie jetzt so ein komisches Geräusch? Warum zischt sie mich an? Die Mops-Hymne meines Urgroßvaters ist noch lange nicht zu Ende! Sie hat noch zwölf weitere, heroische Strophen, die ich gerne noch singen würde. Ich gebe zu, die Eleganz eines Pessoa hat er nicht erreicht. Aber mir wärmt es das Herz.
Oje, sie droht mit dem Zeigefinger. Was hab ich denn getan?!
Diese Kunstbanausin hat keinen Sinn für Dichtung. Das hätte ich mir denken können, Alfonso. Kein Bacalhau – keine Kultur.
Kapitel 3
2. August
Mein lieber Freund, Alfonso. Du glaubst nicht, was das Schicksal mir in die Hände gespielt hat – ein Wörterbuch . Und Madame benutzt es gar nicht. Ich habe es entdeckt, als sie ein paar Stunden lang unterwegs war und mich allein im Haus zurückließ. Ich habe zur Freude der Nachbarn, die sich nach der fünften Strophe vor dem Küchenfenster versammelt hatten, Camôes’ Hymne auf den Mops gesungen und mich am Klang unserer Sprache und nicht zuletzt auch an den Versen meines Urgroßvaters berauscht. Danach fühlte ich mich wesentlich besser, und da ich sonst nichts zu tun hatte, die Tür zum Schlafzimmer hatte die Madame leider verschlossen, habe ich mich ein bisschen umgeschaut. Die Gnädige hat viele Bücher – aber sie besitzt nicht eines der Werke Fernando Pessoas. Wie kann man das überleben?, frage ich dich. Ohne eine Zeile unseres portugiesischen Genies in ihrem Bücherregal ist doch alles andere Makulatur. Bis auf das Oxford Dictionary. In meiner Situation ein Werk von unschätzbarem Wert.
Was ich als Erstes übersetzte, war die Schmähung, die mir die Artgenossen im Park immer an den Kopf werfen. »Ausländer«. Und kaum hatte ich es gedruckt vor mir, dass sie mich, bösartig wie sie sind, Estrangeiro
Weitere Kostenlose Bücher