Idioten auf zwei Pfoten
August
Alfonso, was will sie von mir? Was, um Himmels willen, ist ›Rolle roll‹?! Und was ist ein ›Pelzbrötchen‹? Hast du je von »Kackstelzen« gehört? Habe ich Ähnlichkeiten mit einer »Kleinen Socke«? Was ist ein Purzelchen? Warum finde ich diese Begriffe nicht in dem Wörterbuch?
9. August
Natürlich kann ich auf zwei Hinterbeinen laufen, was glaubt sie denn, wen sie vor sich hat? Wie wäre ich denn sonst an die oberen Etagen in Oliveiras Kühlschrank rangekommen? Allmählich wird das Stockholm-Syndrom zu einer wahren Last. Niemand, Alfonso, niemand darf je erfahren, was ich hier für eine Show abziehen muss, um am Leben zu bleiben. Stell dir nur vor: Neuerdings versteckt sie mein Essen, und ich muss es suchen! Sie versteckt es noch nicht einmal gut. Ich laufe nur für sie ein paarmal in die Irre, um den Eindruck zu erwecken, sie wäre mir überlegen. Wenn ich alles gefunden habe, schlägt sie voller Entzücken die Hände zusammen und lobt mich.
Ich lasse mich aus demselben Grunde sogar dazu herab, Obst zu essen. Die Madame kniet vor mir, damit ich ein Stück Apfel aus ihrer Hand entgegennehme. Egal ob es mir schmeckt oder nicht – ich halte mich an die eiserne Regel: Je größer ihr Entzücken, desto leichter mein Leben.
10. August
Seit drei Tagen liegt ein Stück Salbei-Zitronenhühnchen im Backofen. Sie hat es dort vergessen.
11. August
Ein kleiner Sieg ist errungen: Ich habe ihr beigebracht, mir morgens den Bauch zu massieren. Und am Nachmittag darf sie mich hinter den Ohren kraulen. Sie scheint es zu genießen. Ich glaube, ich bin auf dem richtigen Weg, den Spieß allmählich umzudrehen. Und stell dir nur vor: Sie hat sich noch nicht einmal gewundert, dass der Teller im Backofen leer war, als sie ihn heute herausgeholt hat. Sie ist in der Lage ein Zitronenhühnchen komplett zu vergessen! Na ja, es fehlte eindeutig an Knoblauch und ein wenig Chili hätte auch nicht geschadet.
12. August
Ein finsterer Tag für mein Image, Alfonso, mein Freund. Du kennst meine kleine Nervenschwäche. Es gab ein Gewitter. Nicht auszudenken, dass sie glauben könnte, ich wäre ein Feigling. Aber sobald der Donner grollt, packt mich die Panik, und ich fange an zu zittern. Du weißt, es ist nur … weil meine Mutter in einer Gewitternacht verschwand. Vermutlich ist sie vom Blitz erschlagen worden, anstatt sich in einem Keller in Sicherheit zu bringen und abzuwarten, wie es das Klügste gewesen wäre.
13. August
Sie hat es weitergetratscht. Wir waren wieder in diesem Restaurant. Indisches Essen, Alfonso. Drei Gänge für ihre Freunde und dazu Bla, Bla, Bla … Sie machte sich darüber lustig, dass ich zwei Stunden unter dem Tisch gesessen habe. Das wäre auch der sicherste Ort für Madame gewesen – aber Natur geht ihr ja komplett gegen den Strich. Sie hat sogar noch die Fenster aufgemacht, um sich das Schauspiel anzugucken, als die Blitze nur wenige Meter von unserem Haus entfernt vom Himmel schossen. So viel Unvernunft! Ich frage mich, wie sie so lange überleben konnte.
Ihre Freunde haben sich prächtig amüsiert und sich die Wänste mit Chicken Tikka Massala vollgestopft. Ich hatte einen Napf mit Wasser.
14. August
Ich bin drin! Alfonso, mein Freund, ich hätte besser nachdenken sollen. Die Gewitterfront kehrte am Abend mit schwüler Luft zurück. Als ich den Donner in der Ferne grollen hörte, nahm ich die Gelegenheit wahr, mich in Madames Bett zu verstecken. Sie fand mich erst, als die Blitze schon krachend ums Haus zuckten. Ich verstärkte das Zittern meiner Beine und zog die Ohren bis ans Kinn. Und anstatt mich sofort hinauszuwerfen, wie es sonst ihre Art ist, sagte sie voller Mitleid in der Stimme: »Aber nur, weil du so viel Angst hast, Möpschen. Das wird bestimmt kein Dauerzustand.«
17. August
Ach, wie einfach die Menschen doch gestrickt sind. Ich muss mich nur noch zitternd an die Bettkante stellen, und Madame kann im Angesicht meines Elends nicht Nein sagen. Sie hat ihre Gewitterlektion schnell gelernt – die Zitronendecke hat sich erledigt.
Dafür gibt es seit heute eine neue Übung, die die gnädige Frau mit großem Eifer verfolgt. Was würdest du denken, Alfonso, wenn ein Zweibeiner vor dir stünde und im Sekundentakt sagte: »Schau mich an.« Was so viel wie: »Olhe para mim« bedeutet.
Eben, ich sehe das Erstaunen geradezu auf deinem Gesicht. Wenn mir jemand in die Augen schaut, dann weiß ich doch, dass er nichts Gutes von mir will. Jemand, der das tut, hat es auf eine
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