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Idioten auf zwei Pfoten

Idioten auf zwei Pfoten

Titel: Idioten auf zwei Pfoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edda Minck
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braucht, um wach zu werden. Ein nicht enden wollendes Ritual von Kaffeetrinken und Zigarettenrauchen und in Zeitungen herumblättern, bis wir endlich hinausgehen, und ich meine Geschäfte erledigen kann. Aber ich folge meinem Plan – ich tue ab jetzt nichts mehr, was sie verärgern könnte. Ich umschmeichle sie und lulle sie ein. Ich sage sogar nichts mehr, wenn die Stänkerin an der Tür vorbeigeht und versucht, mich zu provozieren. Jetzt kann ich ja verstehen, was sie sagt. Einwanderer, Fremdling und Ausländer raus! – das sagt sie. Und noch viel schlimmere Sachen, die hier wohl zum Dialekt gehören: »Verpiss dich.« Das hat sie gesagt. Sind wir jemals so grob mit den Touristen-Pinkeln umgegangen? Nein. Bei uns zählt die Gastfreundschaft, sonst wäre Assunta jämmerlich verhungert, nachdem sie sich verirrt hatte. Ich habe sie aufgenommen und dafür gesorgt, dass sie nicht in der Gosse landet. Aber hier sind sie alles andere als mitfühlend.
    Gestern habe ich an der Tür gelauert, bis die Stänkerin vorbeikam, und dann habe ich ganz leise in ihrer Sprache gesagt: »Verpissen Sie sich Ihnen selbst.« Da hat sie ein Geschrei angefangen, dass ihr Besitzer, übrigens ein kleiner, auch nicht sehr gut riechender Mann, ihr mit der Leine übers Fell gezogen ist. Ja, habe ich gedacht, da siehst du es, du Teufelin. Dom João kann auch anders. Ich bin ein Mops von echtem Schrot und Korn. Ich muss mir gar nichts gefallen lassen. Als Madame zur Tür kam, um nachzusehen, was da für ein Radau im Hausflur ist, habe ich sie aus meinem verbliebenen Auge sehr traurig und sehr unschuldig angesehen und bin brav ins Körbchen getrottet. Und was hat sie gemacht? Ja, Alfonso, da sagt die gnädige Frau doch tatsächlich: »Brav Herr Schröder, meine kleine Pelzwurst. Du darfst heute mit ins Paradies.«
    Pelzwurst? Paradies? Wo soll das denn sein? Ich dachte, das wäre ein schlechter Scherz, und sollte, wie eigentlich immer, Recht behalten. Wir gingen um ein paar Ecken und dann über die große Straße, und da war es dann, was sie das »Paradies« nannte. Aber was soll ich sagen? Wenn das der Garten Eden sein soll, wie sieht dann erst die Hölle aus?
    Das Erste, was mir ins Auge fiel, war eine riesige Abteilung, ach, was sag ich? – endlose Regalmeter mit Dosenfutter. Hochgestapelt bis unter die Decke. Dann folgte Kiste an Kiste mit getrockneter Rinderlunge, Schweineohren, Hühnermägen und was du dir nicht alles vorstellen kannst. Sie haben alles getrocknet! Was soll das für einen Sinn haben, frage ich dich? Es geht doch wohl nichts über rohes Fleisch – oder wenn schon nicht roh, dann doch wenigstens appetitlich angerichtet – zum Beispiel ein ordentliches Alcatra mit Knoblauch und Gewürznelken. So kann ich mir eine Kalbshaxe durchaus vorstellen, aber doch nicht getrocknet! Oder ein Cabrito Assado mit Maronen und Speck … oh, Alfonso, ich muss aufhören, an zuhause und an die Küche vom A Traineira zu denken. Es macht mich nur wehmütig – und eine ausgewachsene Saudade ist das Letzte, was ich mir im Augenblick leisten kann.
    Aber zurück zum Thema – Madame missdeutete meinen Gesichtsausdruck als Zustimmung, den ich allerdings, im Angesicht all dieser missbrauchten Nahrungsmittel und dem grässlichen Gestank, der von ihnen ausging, bestenfalls als leer bezeichnen möchte. Ich war zutiefst schockiert, aber meine Strategie des simulierten Wohlwollens zwang mich dazu, ihr den Spaß nicht zu verderben und Contenance im Angesicht all dieser Kalamitäten zu bewahren. Sie warf enthusiastisch ein paar getrocknete Schweineohren in eine Tüte. Dann legte sie noch ein paar Dosen, auf deren Etiketten Bilder von glücklichen Hunden zu sehen waren, an die Kasse. Ich versuchte zu lesen, was mich zuhause erwarten würde – konnte aber nur das Wort Reis entziffern. Reis mit was?
    »Reis mit Truthahn«, piepste plötzlich eine dünne Stimme neben mir. Ich drehte mich um und sah vor mir eine recht ansehnlich zu nennende Yorkshire-Hündin. Ihr hing, wie bei vielen Exemplaren dieser Rasse, die Zunge aus dem Maul. Sie trug eine Hochsteckfrisur, die von einer himbeerfarbenen Schleife gehalten wurde, und tippelte nervös von einem Bein auf das andere.
    »Wer hat Sie denn gefragt? Glauben Sie, ich kann nicht lesen?«, sagte ich zu ihr.
    »Warum denn gleich so garstig, Zyklop? Im Paradies wird man doch nicht meckern. Ich heiße übrigens Fluse.«
    »Schöner Name«, sagte ich, der reinen Höflichkeit halber, denn mir war nicht ganz klar,

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