Idioten auf zwei Pfoten
Betreuung. Ich musste mir am Anfang ein bisschen Respekt verschaffen – aber damit war zu rechnen.«
»Und was ist mit deinem Rudel? Du hast deine Meute einfach im Stich gelassen!«
»Ach, was. Die haben noch nicht mal gemerkt, dass ich nicht mehr da war. Ich hab sowieso meistens auf eigene Rechnung gearbeitet. Ich hatte meine dreihundert Meter Revier am Strand von Benalmádena an der Costa del Sol, und mehr wollte ich nicht. War eine coole Zeit, aber sie ist vorbei. Und du? Was treibt dich hierher?« Scooter setzte sich ins Gras und kaute an einem Grashalm herum.
»Gar nichts. Ich habe mir gar nichts ausgesucht«, antwortete ich. »Ich wäre lieber zuhause in Vila do Santo Chouriço, bei meinem Rudel.«
»Wart ihr gut?«
»Das fragst du? Pah! Alle kennen El-Rei Dom João. Mir gehört das ganze Revier rund um den Marktplatz. Drei Restaurants inklusive, und ich kenne den geheimen Zugang zum Mercado Municipal!«
»Aha. Cool. Und dann?«
»Hat es mich irgendwie erwischt. Jäger, du verstehst – sie hatten Gewehre, und, und … plötzlich war ich im Gefängnis.«
»Uncool.«
Wir schwiegen eine Weile. Noch ein »cool« oder »uncool« würde mir nicht weiterhelfen. Scooter schien sich für mein Leben nicht sonderlich zu interessieren.
»Sag mal, warum sind die anderen so arrogant?«, setzte ich nach einer Weile das Gespräch fort.
»Weil wir Ausländer sind. Und nicht reinrassig.«
»Ich soll nicht reinrassig sein? Ich bin ein Mops!«
Scooter hob eine Augenbraue und sagte: »Ach ja? Cool. Aber du hast nur ein Auge, das ist auch Shit. Behinderte mögen sie auch nicht.«
»Ich verstehe das nicht – wir hatten auch einige Ausländer in Vila do Santo Chouriço. Na und? Assunta, meine zweite Rudelfrau, ist aus Italien und stocktaub. Die hab ich doch auch nicht gebissen und aus dem Land gejagt.«
»Die Dummköpfe hier meinen, dass wir ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen. Sie sagen, es gäbe genug deutsche Hunde, die einen Platz brauchen und die nicht aus dem Knast kommen, weil die Leute lieber uns nehmen. Wegen der Exotik. Weil es schicker ist, einen Hund aus einer Tötungsstation aus einem fernen Land zu retten.«
»Was? Aber ich habe hier gar nicht hingewollt. Ich wollte nicht von zuhause weg. Ich musste nicht gerettet werden. Und ich nehme niemandem was weg. Was soll das?«
»Denk einfach nicht drüber nach. Du kapierst es sowieso nicht. Halt dich von denen fern, und mach dein eigenes Ding.« Scooter sprang in den Teich und schnappte nach einem Frosch. Seine Chefin lachte.
»Den hättest du aber kriegen können«, sagte ich.
»Ich bin doch nicht blöd«, antwortete Scooter und schüttelte das Wasser aus seinem Fell. »Die Zweibeiner mögen das nicht. Spiel ein bisschen den Affen, aber mach nix Ernstes – keine Beute, kapiert?! Sonst schleifen sie dich in die Hundeschule.«
»Aha?! Und wie ist es da?«
»Schlimm.«
»Aha. Und wie heißt du?«
»Sie nennen mich Scooter.«
»Ich meine, deinen richtigen Namen.«
Seine Chefin pfiff nach ihm, aber er machte keine Anstalten, ihrer Aufforderung sofort Folge zu leisten.
»Hab keinen«, sagte er. »Nie einen gehabt. Keine Vergangenheit – kein Ballast für die Zukunft – und dem Universum ist es eh wurscht, wie du heißt. Man sieht sich.« Er gähnte und trabte davon.
Das ist es also: Ich bin ein unerwünschter Ausländer. In beiderlei Sinn, Alfonso. Sie wollen mich hier nicht. Und ich will eigentlich auch gar nicht hier sein! Das ist doch kafkaesk! Absurd! Und dann soll ich noch ein bisschen den Affen spielen – ich soll meine Natur verleugnen.
Glaub mir, meine Nerven waren kurz vor der Zerrüttung. Ich war taub für das, was die Madame mir sagte. Sie zerrte mich hierhin und dorthin. Es war mir egal. Und dann, als ich es am wenigsten erwartete, stand plötzlich Armani vor mir. Beschäftigt mit der Aussichtlosigkeit meiner Situation und mit einem Hirn, das kurz vor der Überhitzung war, hatte ich alle Vorsicht fahren lassen, Alfonso. Das war unverzeihlich.
Ich erfasste die Situation zwar in der nächsten Sekunde, aber es war zu spät. Armani war nicht angeleint, sein Nackenfell war gesträubt, sein Körper stand unter Hochspannung, und er starrte mich an. Von seinem Menschen war weit und breit nichts zu sehen.
»Mach den Weg frei, Pançudo. Mich beeindruckst du nicht mit deinem Gehabe«, rief ich ihm zu.
»Hey, Kanake, immer noch nicht beim Abdecker?«, knurrte er und kam zwei Schritte näher. »So was wie dich sollte man hier nicht
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