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Idioten auf zwei Pfoten

Idioten auf zwei Pfoten

Titel: Idioten auf zwei Pfoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edda Minck
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ausgiebig und beobachtete Madame bei ihren Umtriebigkeiten genau. Um ihr meinen Willen zur Versöhnung deutlich zu machen, nahm ich sogar ein Stück Banane.
    Zuweilen machte ich mir einen Spaß daraus, mit ihr das Schattenspiel zu spielen. Du weißt, man folgt ihnen auf Schritt und Tritt, in der Gewissheit, dass die Menschen das mögen, weil sie glauben, wir könnten nicht ohne sie sein. Ich schaute zu, wenn sie in einem Topf rührte, einen Knopf annähte, Wäsche sortierte oder nachdachte. Ich ließ sie einzig und allein in der intimen Atmosphäre ihres Badezimmers allein – es wäre ja noch schöner, wenn ich sie durch eigene Unachtsamkeit auf die Idee brächte, ich würde um ein Bad ersuchen.
    Wenn man erst einmal mit einem Menschen auf engstem Raume zusammenleben muss, erfährt man, mit wie viel unnützem Kram sie den Tag füllen. Anstatt gemütlich auf der Couch zu liegen, schrubbt sie das Badezimmer, kehrt die Küche, spricht unaufhörlich in ihr Telefon, rennt herum, um Essbares herbeizuschaffen und es wie ein Eichhörnchen zu bunkern; sie räumt und macht und tut ohne Unterlass, und wenn sie damit fertig ist, hängt sie im Garten die Wäsche auf. Genau über der Stelle, wo die Stänkerin immer ihr Geschäft verrichtet. Ich lege mich in angemessenem Abstand ins Tulpenbeet, um nicht mit diesem Geruch in Berührung zu kommen. Die Nasen der Menschen sind nichts weiter als ein mehr oder weniger zum Gesicht passendes, knöchernes Überbleibsel dessen, wozu es einmal ursprünglich gedacht war. Wenn es nach mir ginge, müsste sie die Wäsche gleich noch mal waschen. Aber das wäre müßig, weil sie sich und ihre Kleidung täglich mit einem Duft aus einem Flakon besprüht, so wie die alte Dona Clara. Wobei Dona Clara diese kleine Extravaganz verziehen wird, war sie doch in jungen Jahren eine gefragte Cantora – weit über die Stadtgrenzen von Vila do Santo Chouriço hinaus berühmt für ihren Fado. Aber hier, in dieser Stadt, machen es fast alle Menschen so. Niemand riecht mehr nach sich selbst. Vermutlich ein schwacher Versuch, den Feind in die Irre zu führen, eine olfaktorische Tarnkappe, ohne die sich niemand aus dem Hause traut. Ich glaube, sie wollen damit den Geruch ihrer stets gegenwärtigen Angst überbrücken. Erst wenn sie sich komplett eingenebelt haben, sind sie zufrieden mit ihrem Abafamento, und sie fühlen sich stark genug, sich unter ihresgleichen zu mischen.
    Dona Clara hatte einen Flakon mit Lavendelduft, der die Aura ihrer natürlichen Anmut noch unterstrich – abgesehen davon, dass sie in ihrem Leben noch nie vor irgendetwas Angst hatte. Meine Madame bevorzugt es, nach Holz und Mandarinen zu duften, was im Grunde genommen eigentlich sehr schön ist, aber wie mit allem im Leben, Alfonso: Die Mischung macht es, und Mandarinen, Holz und der Mijo einer Hündin machen es eben nicht.
    Und was Menschen zum Überleben alles so brauchen, mein Freund. Sie haben ja kein Fell, so wie wir, das zu jeder Jahreszeit für passende Belüftung, Heizung oder Abkühlung sorgt. Alles in allem sind die Zweibeiner recht unvollständig in ihrer Art. Geradezu enttäuschend. Aber mein Vater hat immer gemahnt, man solle sie dafür nicht minder achten. Sie sind, was sie sind, so hat die Natur sie eben geschaffen. Man solle sich nur fernhalten von ihnen, ansonsten läuft man Gefahr, dass die menschliche Unvollkommenheit vom eigenen Wesen Besitz ergreift. Die schlechten Angewohnheiten bleiben an einem haften, wie der zertretene Kaugummi auf dem Trottoir an der Pfote eines unvorsichtigen Hundes klebt. Man wird sie schwer bis gar nicht mehr los, und sie verselbständigen sich geradezu, und nach einiger Zeit weiß man nicht mehr, wohin man gehört – ob man am Ende zwei Beine hat oder vier. Um seelisch gesund zu bleiben, muss man den Umgang mit Seinesgleichen suchen – mehr braucht man nicht. Schließlich, so lehrt es die große Geschichte der Hunde – allen voran die der Möpse selbstverständlich –, sind wir Wölfe, nur leider tragen wir schwer am Schicksal, das sich einst in grauer Vorzeit ereignete. Da lebten die Wölfe mit allen Tieren im Paradies. Die Erinnerung an die Menschen, die es dort auch einmal gegeben hatte, war schon ziemlich verblasst, und jeder hielt die Sache mit Adam und Eva und dem Apfel für ziemlichen Humbug. Niemand hatte die Menschen je zu Gesicht bekommen – also fingen einige an zu glauben, es gäbe sie gar nicht. Bis eines Tages ein Wolfspaar auf der Suche nach Nahrung an die Grenzen

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