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Idioten auf zwei Pfoten

Idioten auf zwei Pfoten

Titel: Idioten auf zwei Pfoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edda Minck
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Auto, und dann fuhren wir los. Mir war ein bisschen übel von der Wurst, die sie den ganzen Tag über in mein Maul gestopft hatte, und von der Vorstellung, wie ein drittklassig ausstaffierter Freibeuter zukünftig irgendeiner noch nicht näher benannten »Arbeit« nachgehen zu müssen. Und nicht zu vergessen, fuhr sie wie ein Pirat, das Auto schlingerte in jeder Kurve, als wären wir vor dem Kap der guten Hoffnung in schwere See geraten. Ich schickte ein stummes Gebet zu meinen Vorfahren. Wir Joãos sind zwar alle seefest, aber die Fahrweise von Madame verlangt mir zuweilen alles ab. Nicht auszudenken, ich würde den Wünschen meines Magens – sich auf der Stelle zu erleichtern – nicht Einhalt gebieten können.
    Ich war dann auch sehr froh, dass wir nach kurzer Zeit vor einem Geschäft anhielten, das voller Bücher war. Madame schleppte zuerst eine Kiste in das Geschäft und ließ mich im Auto sitzen. Nun, dachte ich, liefert sie etwa all die Buchstaben, die sie in ihre surrende Kiste gefüllt hat, jetzt hier wieder ab? Nun, so ähnlich, Alfonso.
    Nachdem das Auto entladen war, wurde auch ich endlich in den Laden geführt. Die gnädige Frau schob mein Körbchen unter den Tisch, der frontal vor vielen Reihen leerer Stühle aufgebaut war. Auf dem Tisch war eine Decke ausgebreitet, die bis fast auf den Fußboden hinunterhing. Ich setzte mich in meinen Korb und lugte unter der Decke hervor. Schließlich wollte ich wissen, wie es weitergehen würde. Was hatte die Madame vor? Und dann fiel mein Blick auf das Plakat, dem ich damals, als Madame es verteilt hatte, keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Darauf war eine Person abgebildet, die nur sehr entfernt Ähnlichkeit mit der gnädigen Frau aufwies. Das schien hier aber niemandem etwas auszumachen. Offensichtlich war die Ladenbesitzerin sehr froh darüber, dass wir da waren, egal wie Madame nun in Wahrheit aussah. Oder sie ließ sich ihre Enttäuschung nicht anmerken.
    Nach und nach füllte sich der Raum mit sehr vielen Menschen. Es waren vornehmlich Frauen jeglichen Alters. Sie zeigten mit dem Finger auf mich und tuschelten, als sie mich dabei beobachteten, wie ich die Nase unter der Decke hervorstreckte. Endlich war auch der letzte Platz besetzt, und die Frau, der das Geschäft gehörte, sprach in ein Mikrophon und hieß alle herzlich willkommen. Applaus brandete auf. Ich hielt meinen Einsatz für gefordert und kam unter der Tischdecke hervor, um die Ovationen entgegenzunehmen. Die Leute brachen in schieres Entzücken aus. Meiner Madame dagegen schien meine kleine Einlage nicht zu gefallen. Sie drohte mir mit dem Finger, zog mich wieder unter den Tisch und schlang meine Leine um ein Tischbein.
    Dann endlich bedankte auch sie sich für das Erscheinen des Publikums, setzte sich hin und schlug ein Buch auf. Ich war überrascht und erfreut und hatte für einen kleinen Augenblick die Hoffnung, sie würde etwas von Pessoa vortragen. Mir zu Ehren, oder zu Ehren meines Heimatlandes. Aber weit gefehlt.
    Es handelte sich um ein Buch über eine Frau, die ziemlich viel Pech gehabt hatte in ihrem Leben, worüber das Publikum sehr lachte. Na ja, das Werk war weder tiefgründig noch war es literarisch wertvoll, was ich sehr bald bemerkte. Aber den Anwesenden schien es zu gefallen. So sind sie, die Menschen – sie lachen gern über das Unglück anderer, die sie noch nicht einmal kennen, gar nicht kennen können, weil meine Madame sich diese Frau, um die es ging, bestimmt nur ausgedacht hatte. Wenn sie eine Freundin des Hauses gewesen wäre, hätte ich sie bestimmt schon getroffen. Was soll ich sagen, Alfonso … Ich wundere mich über gar nichts mehr, auch nicht über Menschen, die über Dinge lachen, die gar nicht wirklich passiert sind.
    Als in der Geschichte auch noch eine Leiche auftauchte, fielen mir die Augen zu.
    Ich wurde wach, als Madame mich unsanft anstieß und sagte: »Herr Schröder, hören Sie doch bitte mal auf zu schnarchen.«
    Das Publikum lachte. Kein Wunder, ein echter schnarchender Mops schlägt erfundene Leichen um Längen. Ja, lass sie nur ihren Spaß haben, dachte ich, wälzte mich auf die andere Seite, und bald hatte mich die Stimme der gnädigen Frau wieder in den Schlaf getrieben. Wo eine Leiche ist, taucht auch schnell noch eine weitere auf, dann kommt ein Polizist, und am Ende wird alles gut. Hat man einen Kriminalroman gelesen, kennt man alle, hatte mein Urgroßvater, der Trovador immer gesagt. Er musste es ja wissen, sein Revier lag direkt

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