Idioten auf zwei Pfoten
Guck, was passiert, guck genau hin! Los!« Weiter kam ich nicht, weil ich kauen musste. Felix drehte mir das Hinterteil zu und wackelte seiner Dickmadame hinterher. Auf der oberen Wiese sammelten sich mittlerweile die anderen am Zaun und schauten zu uns herunter. Ich schlug vor Vergnügen einen Salto, stieß alle Schimpfwörter hervor, die mir in den Sinn kamen, und verputzte ein Wurststück nach dem nächsten. Die gnädige Frau geriet beinahe in Atemnot und hatte Schweißperlen auf der Stirn.
Als die Gaffer auf der oberen Wiese endlich aufgaben und ich meine Darbietung mangels Publikum beendete, lachte Scooter und warf sich auf den Rücken.
Meine Madame warf ihm die Reste der Wurst zu und setzte sich erschöpft ins Gras. Ich war sowieso schon satt.
»Und wie oft gehst du da jetzt hin?«, fragte er. Und ich glaube behaupten zu können, dass er etwas neidisch war.
»Zweimal in der Woche. Aber weißt du, so eine Schule würde ich auch jeden Tag besuchen. Der Labrador ist so ein Holzkopf – ich würde nicht ruhig daneben stehen, wenn ein anderer Wurst bekäme. Außer du natürlich.«
»Wer weiß, womit die Lehrerin ihn bestochen hat?«, sagte Scooter nachdenklich. »Vielleicht kriegt er die Lammkeule und du nur die Wurst?«
Und schon war bei mir der Keim des Zweifels gesät. Was, wenn es so wäre? Ich würde ihn das nächste Mal fragen, sofern ich dazu käme. Was musste man veranstalten, um an eine Lammkeule zu kommen? Einen Menschen anfallen? Kein Problem, die Waden der Dickmadame würde ich liebend gern mit meinen Zähnen traktieren.
Als die gnädige Frau sich von Scooters Chefin verabschiedete, sah sie erschöpft aus. Scooters Herrin lächelte ihr aufmunternd zu und sagte: »Das wird schon noch. Sie haben ihn ja noch nicht so lange. Wer weiß, was er alles erlebt hat. Der wird noch ruhiger werden. Seltsam ist nur, dass er sich mit Scooter so gut versteht.«
Madame runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, ob das mit der Leckerlimethode so hinhaut. Die Trainerin sagt, dass man die Wurst geben muss, bevor er sich aufregt, aber so schnell bin ich ja gar nicht. Kaum dass er einen Hund sieht, geht er in die Luft … diese kleine Pelzbombe von einem Hund hat überhaupt keine Lunte. So schnell kann ich mich doch gar nicht bücken, um ihn mit Wurst abzulenken. Außerdem tanzt er ja auch noch rum wie ein Derwisch. Und ich kann meine Augen auch nicht überall haben …«
Ich guckte sie an und legte den Kopf schief. »Das weiß ich, Madame – und das macht es ja gerade so lustig.«
14. September
Der Asphalt ist heiß wie die Hölle und quält meine Pfoten, Alfonso. Die Ausdünstungen der Autos und Busse zersetzen meine Nasenschleimhäute, und die fauchende U-Bahn schwitzt ihre Miasmen durch die Kanaldeckel auf den Platz vor dem Rathaus aus. Man könnte schier ohnmächtig werden. Nirgendwo ein Atemzug frischer, klarer Luft. Wer, außer einem Menschen, käme auf die Idee, sich unter diesen Umständen zu einem Spaziergang aufzumachen?
Während ihr, meine Freunde, vermutlich unter der Bank vor dem Hause des alten Oliveira liegt, euch von seinem Singsang, mit dem er seine Kugelschreiber zählt, sanft in den Mittagsschlaf hinüberleiten lasst, den frühen Abend vor Augen, der einem kurzen Abstecher zur Mercado Municipal gewidmet sein wird, wo ihr ein paar leckere Fischköpfe und einen Kanten liegen gebliebenen Käses als Vorspeise nehmen könntet, um die Zeit zu überbrücken, bis sich im A Traineira allmählich die Mülltonne füllt, bleibe ich mit meinen Pfoten auf dem stinkigen Asphalt kleben. Ich weiß nicht, was Madame damit bezweckt, aber sie klappert diverse Geschäfte ab. Sie fragt die Ladenbesitzer, ob sie ein Plakat aufhängen darf. Ich wusste gar nicht, dass sie noch einen anderen Job hat als den, vor ihrem Computer zu sitzen und Worte hineinzufüllen. Die Menschen in den Läden sind sehr nett, und ab und zu bekomme ich einen Hundekeks, wie sie das hier nennen. Ich lasse mich nicht lumpen und nehme einen, damit Madame ihre Plakate loswird. Auch sind die Kekse eine willkommene Abwechslung zur ewigen Geflügelwurst. Das ist ja das Dilemma mit dem Überfluss und den Leckereien – wenn man sie täglich aufgedrängt bekommt, wird man ihrer überdrüssig.
Nach zwei Stunden des Umherziehens waren wir endlich wieder zuhause, und ich konnte mich auf den kühlen Holzfußboden legen, während die gnädige Frau im Badezimmer herumwirtschaftete. Der Gedanke an die Geflügelwurst verfolgte mich noch immer, und dann
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