Idol
Nachsicht fügte er hinzu:
»Das mußt du ja wohl auch sein, um so schöne Schmuckstücke fertigen zu können.«
Unterdessen waren Diener mit einer Erfrischung gekommen, |413| die vermutlich der Majordomus bestellt hatte, er muß geglaubt haben, ich wäre vor Hunger schwach geworden.
Leicht amüsiert registrierte ich, daß zum ersten Mal ein Goi so freundlich zu mir war. Rusticucci hatte mir den Geleitbrief
auf einen christlichen Namen ausgestellt, und der Papst hatte dem Juden erlaubt, in gewöhnlicher Kleidung zu reisen – dies
allein reichte aus, daß jedermann sich freundlicher zu meinesgleichen verhielt! Und doch, was sind schon Namen oder Kleider?
Nichts als vergängliche Äußerlichkeiten! War ich nicht immer noch derselbe Mensch?
Nur widerwillig und aus Höflichkeit gegenüber dem Majordomus nahm ich etwas zu mir, meine Söhne und Neffen und Isacco aßen
mit einer Gier, als wäre das Mittagsmahl nur mehr eine sehr ferne Erinnerung. Vor allem Isacco war ein großer Esser; er war
überhaupt ungeheuer lebenshungrig, ganz im Gegensatz zu seinem pessimistischen Geschwätz bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
»Die Herrschaften kommen«, sagte der Majordomus. Alle blickten zum See, doch man sah nur weißen Nebel, in dem nach kaum zweihundert
Schritt der Horizont versank.
»Ich kann noch nichts erkennen«, sagte ich.
»Wenn Ihr genau hinhört, Signore, vernehmt Ihr die Ruderschläge. Der Wind hat sich gelegt. Man hat die Segel eingeholt, und
unter Deck legen sich die Ruderknechte in die Riemen.«
Und tatsächlich vernahm ich das gleichmäßige Geräusch der eintauchenden Ruder und das Knirschen der Dollen. Plötzlich löste
sich die Silhouette der Galeasse wie ein Geisterschiff aus dem Nebel und gewann allmählich immer deutlichere Konturen. Ein
knapper Befehl, und sie schien sich kaum noch zu bewegen, glitt langsam über die Wasserfläche, drehte bei, fuhr still und
majestätisch in den kleinen Hafen ein und legte, während die Ruder alle gleichzeitig eingezogen wurden, neben ihrer schon
am Kai vertäuten Zwillingsschwester an.
Gefolgt von einer Kammerzofe, ging die Herzogin leichtfüßig von Bord, während der Fürst, wie ich bemerkte, nur mit Hilfe zweier
Edelleute den Kai erreichen konnte, wo ihn seine Gemahlin erwartete, ein Lächeln auf den Lippen, aber mit sorgenvollem Blick.
Es war das erste Mal, daß ich diese berühmte Schönheit sah, und obwohl ich durch zahlreiche Beschreibungen vorbereitet war,
wurden sie von der Wirklichkeit weit übertroffen. |414| Ihre Zofe hielt sich hinter ihr und wich keinen Schritt von ihrer Seite, wie ich später feststellen konnte. Im Gegensatz zu
ihrer strahlend blonden Herrin war das Mädchen genauso brünett wie eine Tochter Israels, lebhaft, mit schwarzen Augen, keck
und mit großen, apfelrunden Brüsten, derentwegen ich den Blick senken mußte, denn selbst in meinem Alter noch ist man für
solche Reize nur allzu empfänglich.
Der Majordomus trat zu dem Fürsten, sprach lange
sotto voce
mit ihm – sicher erklärte er, wer wir waren – und zeigte ihm meinen Geleitbrief, während wir ehrerbietig in einiger Entfernung
warteten, die Augen respektvoll auf den Fürsten gerichtet und aus den Augenwinkeln nach der Herzogin und ihrer schmucken Zofe
schielend.
»Herzlich willkommen, liebe Freunde«, sagte der Fürst und kam auf uns zu, während wir uns allesamt tief verneigten.
Auf ein Zeichen des Majordomus hin brachten zwei Diener einen Sessel, den sie vor den drei Arkaden des Hauptgebäudes abstellten
und auf dem der Fürst Platz nahm, immer noch von seinen beiden Edelleuten gestützt, davon der eine sehr schön und das genaue
Ebenbild der Herzogin war, allerdings brünett statt blond: zweifellos ihr berüchtigter Zwillingsbruder, der am hellichten
Tag mitten in Rom den vornehmen Herrn Recanati in einer offenen Kutsche niedergestochen hatte. Man brachte auch einen Sessel
für die Herzogin, die ihn aber verschmähte und sich mit einem Schemel zu Füßen des Fürsten begnügte. Ihr langes Haar auf dem
Schoß zusammenraffend, ließ sie sich anmutig auf dem Schemel nieder. Die Kammerzofe setzte sich auf eine Treppenstufe hinter
ihr und musterte – da ihre Herrin sie nicht sehen konnte – unsere Gruppe mit dreisten Blicken, nicht einmal mich ließ sie
aus. Signor Marcello, der das bemerkte, stieg zu ihr hinauf und gab ihr im Vorbeigehen heimlich einen kleinen Tritt, bei dem
sie das Gesicht verzog, aber nicht
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