Ifenfeuer: Allgäu-Krimi (German Edition)
sah Wanner seine Frau an, mit der er seit über zwanzig Jahren verheiratet war, und zwar, bis auf ein paar Ausnahmen, ziemlich glücklich. Sie war hübsch anzusehen, sehr modebewusst, ohne zu übertreiben. Mit sicherem Geschmack suchte sie Kleidung und Schuhe aus und war stets, selbst in der Küchenschürze, eine Augenweide.
Lisa war bald Mitte vierzig, trug die dunkelblonden Haare schulterlang und passte von der Größe her gut zu ihm. Beim Lachen ließen zwei Grübchen ihr schmales Gesicht noch liebenswerter erscheinen. An der Figur war nichts auszusetzen, da gab es weder Pfunde zu viel noch zu wenig. Paul fand dies bemerkenswert gut.
Lisa erzählte von ihrer gesundheitlich angeschlagenen Mutter. Sie glaubte daher, dass sie wohl in nächster Zeit wieder nach ihr schauen müsste. Nach der Brotzeit holte sie eine Flasche Rosé, und Paul füllte die Gläser. Dann setzten sie sich auf die Couch und prosteten sich zu.
Es war bereits dunkler geworden, die Sonne längst hinter dem Buchenberg verschwunden.
Ihr Haus am Vicariweg glich einem Schmuckkästchen, was Lisa zu verdanken war. Paul gab dies auch unumwunden zu. So genau er bei seinen Ermittlungen sein konnte, bei Garten- oder Hausarbeit genügte ihm eine Genauigkeit von achtzig Prozent. Immerhin hatte er keine zwei linken Hände und war, wie Lisa spitzbübisch meinte, durchaus auch in Haus und Garten zu gebrauchen. Selbst kleinere Reparaturen führte er zu ihrer Zufriedenheit aus.
Nachdem Lisa ihre Erzählung beendet hatte, forderte sie Wanner auf, von seiner Arbeit zu berichten. Es hatte vor einiger Zeit eine Krise in ihrer Ehe gegeben, weil sich jeder zu wenig informiert oder sogar vernachlässigt vorgekommen war. Sie hatten nach einer kurzen Trennung, während der Lisa zu ihren Eltern gezogen war, wieder zusammengefunden und sich gegenseitig versprochen, mehr auf einander einzugehen. Das hatten sie dann strikt eingehalten, und ihre Ehe war wieder in Ordnung gekommen.
Wanner berichtete ausführlich von den neuen Mordfällen, ohne jedoch vertrauliche Dinge preiszugeben. Er wusste, dass Lisa gute Theorien entwickeln konnte, was sie schon in früheren Fällen bewiesen hatte. Vielleicht hatte sie als Außenstehende ja auch zu den neuen Fällen einen unvoreingenommenen Rat?
»Und du meinst, dass die beiden Mordfälle unbedingt zusammenhängen?«, fragte sie nachdenklich. Wanner zuckte mit den Schultern und bestätigte dies.
»Aber die Verbindung scheint mir recht dünn zu sein. Auf der einen Seite hast du den toten Brugger und einige Verdächtige mit Motiven, auf der anderen Seite die Tote vom Hölloch – wie heißt sie gleich noch mal? – ja, Marion Zick. Und zwei Verdächtige, die bloß entfernt einen Zusammenhang erahnen lassen. Es sind eigentlich nur die geheimen Unterlagen über einen möglichen Bergbahnneubau am Ifen. Kann das nicht auch Zufall sein?«
»Ja, aber wie kam Marion Zick zu diesen Unterlagen?«
»Da müsste man mal ihren Mann genauer unter die Lupe nehmen, vielleicht hat er ja auch was mit der Bergbahn zu tun?«
Wanner nahm nachdenklich einen Schluck aus seinem Glas. Der Wein schmeckte ihm noch besser als ein Roter. Da auch Lisa seiner Meinung war, waren sie inzwischen von Rot auf Rosé umgestiegen.
»Wenn das der Fall wäre«, dachte Wanner laut vor sich hin, »dann könnten die Papiere von ihm stammen. Seine Frau hat sie in die Finger gekriegt und mit zum Hölloch genommen, weil sie dazu von dritter Seite aufgefordert oder sogar erpresst worden war. Aber wer hatte dazu eine Veranlassung und wer einen Grund, Marion zu erpressen?«
Lisa rückte näher an Wanner heran und stellte ihr Glas auf den Tisch. Sie sah ihren Mann verliebt an und meinte: »Ich glaube, für heute reicht es mit ungelösten Mordfällen. Wie wäre es, wenn wir bald ins Bett gingen? Aber nicht, dass du glaubst, ich sei müde …«, fügte sie verschmitzt hinzu.
Paul grinste. »Nachtigall, ich hör dir trapsen! Aber ich hör das gerne.«
Sie räumten den Tisch ab und sortierten das Geschirr in die Spülmaschine ein.
Dann machte Paul seine abendliche Runde durch das Haus, während Lisa ins Bad ging. Als er zurückkam, sprang Lisa bereits über den Flur und verschwand im Schlafzimmer, wobei der Hauch eines durchsichtigen Nachthemdes hinter ihr her wehte.
Am nächsten Morgen nahm sich Paul dienstfrei und ging mit Lisa in die Stadt. Er hatte noch am vergangenen Abend versprochen, ihr bei der Suche nach einem neuen Kleid behilflich zu sein. Seine Frau hatte ihn so lange
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