Ihr Auftritt, Mr. Pringle!
sprechen müssen, denn die Katzengeschichte
war nicht zu gebrauchen. Wir durften sie nicht senden. Die
Tierschutzvereinigung hätte uns gekreuzigt.»
Sie schauten sie verwirrt an.
«Der Tierarzt war heute morgen
betrunken, als wir zu ihm kamen. Er hat Alpträume, weil der Kater was Komisches
getan hat. Als die alte Dame starb, war Ginger Tom zusammen mit ihr im Haus
eingeschlossen. Es dauerte vierzehn Tage, bis ihre Leiche gefunden wurde, und
na ja, sie hatte eben nicht genug Kitekat für zwei Wochen herausgelegt, nicht
wahr? Der Tierarzt hält den Kater in einem Korb mit Vorhängeschloß, weil er
drei Kinder hat. Er muß ihn an natürlichen Ursachen sterben lassen, sonst
verwirkt er die zehntausend Pfund. Man fragt sich, ob es das wert ist. Möchte
noch jemand einen Keks?» Irgendwie wollte keiner einen.
Als Mr. Pringle sich wieder
traute, öffnete er den Mund, um zu fragen: «Was die andere Sache angeht, den
Mord, hat die Polizei eine Ahnung...?»
«Ich weiß es nicht. Die
Polizisten haben noch Leute vernommen, als ich ging. Wir glauben alle,
Jack Kemp muß es getan haben, denn er sollte eigentlich an diesem Abend die
Regie führen, bis Malcolm sich einmischte und darauf bestand, daß Christopher
es übernimmt. Die beiden hatten vor der Sendung einen fürchterlichen Streit in
der Nachrichtenredaktion.» Petronella zuckte die Achseln. «Es wäre schade um
Jack, die meisten mögen ihn. Er ist ein guter Regisseur, und Christopher war
ein Hohlkopf. Falls die Polizei etwas von diesem Streit erfahren hat, hat sie
Jack vermutlich schon festgenommen.»
So schnell passiert jedoch
nichts, außer im Fernsehen.
KAPITEL 2
«Finsternis,
undurchdringbar und unbeweglich, erfüllte das Zimmer. Ein gewaltiger Windstoß,
der mit plötzlichem Ungestüm aufkam, fügte diesem Augenblick neues Entsetzen
zu... Die menschliche Natur konnte nicht mehr erdulden.» Jane Austen, Northanger
Abbey
Dienstag, 3. April 1984, 00.10:14 Uhr
Jenen, die nicht gehen durften,
wurde es nur langsam bewußt. Zuerst herrschte totale Verwirrung. Herzen
klopften, Stimmen überschlugen sich vor Aufregung, als die Mitglieder der
königlichen Familie über Ruperts Treppe schnell in Sicherheit gebracht wurden.
Die Polizei kam, um das Vakuum zu füllen. Erst ein Rinnsal, dann eine Flut von
Uniformen, die in Türeingängen und Korridoren standen, alles übernahmen, das Personal
in Gruppen zusammentrieben, jene, die Gelegenheit gehabt hatten, von jenen
trennte, die es offenkundig nicht getan haben konnten.
Diejenigen, denen gesagt wurde,
sie könnten gehen, äußerten lautstark ihre Erleichterung und überhäuften die
Beamten mit Dankbarkeit. «Sind Sie sich ganz sicher, daß ich Ihnen nichts mehr
sagen kann, Constable? Nun, dann mache ich mich auf den Weg. Gute Nacht.» Sie
schlenderten zu zweit oder zu dritt davon, voll des Lobes für die
Polizeitruppe. Aber das Vernehmungstempo verlangsamte sich. Jene, die der
Leiche viel näher gewesen waren, gingen allein nach eingehender Überprüfung. In
dem leeren, widerhallenden Gebäude klingelten die Telefone jetzt weniger
häufig. Es war vorbei, die Tat selbst, die Aussagen und die erneuten Aussagen
über das, was jeder einzelne zu sehen geglaubt hatte. Endlich begannen die
Ermittlungen über das tatsächlich Geschehene.
Eine bedrückende Stille machte
sich unter denen breit, die bleiben mußten. Allmählich wurde ihnen klar, warum
man ihnen Fingerabdrücke abnahm, Warum man sie bat, blutbefleckte
Kleidungsstücke für eine forensische Untersuchung auszuziehen, und warum man
ihnen schließlich half, eine Aussage zu machen.
Dafür hatte die Polizei ihre
ganz eigene handgestrickte Methode, dazu einen Sprachgebrauch, der die
Journalisten verblüffte.
«Ich nehme an, was Sie sagen
wollten, Sir, ist dies: Deckenbeleuchtung gelöscht worden war, als ich wahrnahm, daß ich nichts mehr
sehen konnte.> Okay?» Es war sinnlos zu protestieren. Das Lächeln der
Beamten war höflich, aber halsstarrig; sie wußten, was am besten war. Sie waren
dazu ausgebildet worden, ihre Muttersprache zu ermorden. Jedes der
unglücklichen Opfer, darauf bedacht zu entkommen und zu verwirrt, um zu
protestieren, kritzelte eine Unterschrift.
Aber die Freiheit blieb ein
Traum. Kaum hatten sie unterschrieben, wurden sie gebeten: «Gehen Sie zu Ihren
Kollegen in die Nachrichtenredaktion, Sir.» Dort saßen sie alle, unter den
gurgelnden Rohren, einsam, verschreckt, und erst jetzt wurde
Weitere Kostenlose Bücher