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Ihr Auftritt, Mr. Pringle!

Ihr Auftritt, Mr. Pringle!

Titel: Ihr Auftritt, Mr. Pringle! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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ihnen so richtig
bewußt, daß einer von ihnen ein Mörder war. Ein Polizist bewachte sie.
    Nur Dorothy hatte man erlaubt
zu gehen. Zuerst hatte sie bei ihnen gesessen, aber im Unterschied zu den
anderen, hatte sie ihre Farbe und Munterkeit nicht wiedergewonnen. Statt dessen
war ihr gebrechlicher Körper auf dem Stuhl in sich zusammengesunken. Einer
Polizistin gefiel ihr Anblick nicht, und sie fühlte ihren Puls. Als sie ihn
gefunden hatte, war die junge Frau wirklich besorgt. «Haben Sie irgendeine
Medizin? Irgendwelche Pillen?»
    «Nein.» Das war gelogen. Die
Polizistin spürte es. Warum sagt sie das, fragte sie sich. «Hat man Ihre
Aussage aufgenommen?» fragte sie. Dorothy nickte müde.
    «Und meine Kleidung hat man mir
weggenommen.» Um ihre Schultern und Hüften hatte man Decken mit
Sicherheitsnadeln befestigt. Sie schloß die Augen. Sie wagte nicht, ein
schmerzstillendes Mittel zu nehmen. Sie mußte wach bleiben, um zu denken. Noch
nie hatte sie sich so hilflos gefühlt.
    «Haben Sie einen Rollstuhl oder
so was?» fragte die junge Frau unbeholfen. Dorothy schaute auf die am Tisch
lehnenden Krücken und dann wieder auf die Polizistin. «Noch nicht», sagte sie
geradeheraus. Die Polizistin errötete. «Ich werde sehen, was ich tun kann.»
    Der Polizeiarzt war zwar
beschäftigt, wollte aber nicht noch eine Leiche in Händen haben. «Sie sollten
im Bett liegen. Wer ist Ihr Hausarzt?» Dorothy sagte es ihm. Ihre Worte
schienen ihr aus weiter Ferne zu kommen. Als der Arzt wieder sprach, schaute
sie ihn stupide an, weil die Laute keine Bedeutung hatten. Er wiederholte sie.
Sie glaubte zu verstehen, also nickte sie diesmal. Dann schloß sie wieder die
Augen und hoffte, er werde gehen. Als sie begriff, daß man sie gehen ließ,
stellte sie sich mühsam auf die Füße und lehnte weitere Hilfe ab. Sie brauche
keinen Wagen, sie habe selbst einen, sie könne es schaffen. Ihre
Aluminiumkrücken entfernten sich tapsend. Alle sahen ihr nach; die beiden
Redakteure blickten weiter in ihre Richtung, als sie schon verschwunden war.
Fitz zuckte unter seinen Decken nervös, und Charles, dessen Körper mehr Alkohol
verlangte, leckte seine trockenen Lippen in regelmäßigen Abständen. Keiner
sagte etwas zum anderen.
    Die Polizistin folgte Dorothy
diskret und wartete lange genug, um zu sehen, daß sie sicher wegfuhr. Dann
eilte sie wieder aus dem Regen nach drinnen. Es waren noch Berichte
fertigzustellen.
    In der Nachrichtenredaktion
regte sich einer der Verdächtigen. «Jack Kemp ist schon lange bei denen dort
drinnen», sagte Rupert.
    «So lange auch wieder nicht»,
sagte Artemis abwehrend. Sie schaute auf die Wanduhr. «Jeder einzelne von uns
wurde etwa eine halbe Stunde verhört.»
    «Ich kann nicht glauben, daß es
Jack war», warf ein anderer ein.
    Malcolm Gordon sagte mahnend:
«Es hat keinen Zweck zu spekulieren. Ihr macht es nur noch schlimmer.»
    «O Gott!» Hilary schauderte.
«Mir ist übel.»
    Artemis bewegte sich schnell
und drückte den Kopf des Mädchens zwischen ihre Knie. Die anderen schauten zu,
wie eine zweite Polizistin Hilary hinausführte, dann herrschte wieder
Schweigen. Keiner glaubte, daß Hilary es getan hatte. Die Auswahl wurde
kleiner.
    Jonathan P. Powers saß ein
wenig entfernt von den anderen. Er war entlastet und aufgefordert worden zu
gehen, bestand aber darauf zu bleiben, um Jack beizustehen. «Wißt ihr, ich habe
meine Erfahrungen mit so etwas. Wir brauchen jemand, der unsere Interessen
schützt, einen unabhängigen Ermittler.» Die anderen schauten ihn wachsam an.
    «Es ist nicht so, daß die Jungs
in Blau keine hervorragende Arbeit leisten», fuhr Jonathan scheinheilig fort,
um dem Constable zu gefallen (und jedem Zuhörer, der einen Regisseur für eine
Krimiserie benötigte), «aber ihr wißt, was ich meine.»
    Sie überlegten. «Als eine Art
Versicherung?» fragte Carl.
    «Um sicherzustellen...?»
    «Daß sie den Richtigen
erwischen — genau. Ihr versteht meinen Standpunkt», sagte Jonathan
einschmeichelnd. Die anderen waren jetzt interessierter. Das klang vernünftig.
Außerdem brachte es sie auf andere Gedanken, fort von ihrer gegenwärtig
mißlichen Lage in eine Welt, die sie alle verstanden.
    «Sie meinen — jemanden wie
Philip Marlowe?» fragte Artemis aufgeregt.
    «Nun, nicht ganz», räumte
Jonathan ein. «Aber ich kenne zufällig diesen Burschen, der es als eine Art
Hobby betreibt.»
    Carl zweifelte. «Ist er denn
gut?»
    «Er war es, als meine arme
Mutter ermordet wurde», antwortete

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