Ihr Auftritt, Mr. Pringle!
hören.»
Damit mußte er sich
zufriedengeben. Sie kam nach oben, während er sich anzog.
«Ich freue mich, daß du sie
angezogen hast», kicherte sie, «sie steht dir. Ich dachte es mir. Für einen
Mann deines Alters hast du sehr gute Beine.» Sie küßte ihn freundschaftlich und
ging. Mr. Pringle fummelte mit seinen Sachen auf dem Toilettentisch herum. Mrs.
Bignall hatte also die gleiche Kraft in Rupert gespürt? Aber es gab keinen
direkten Beweis, keine einzige Tatsache, die ihn mit dem Mord verband. Mr.
Pringle schaute auf die Skizze vom Regieraum. Wenn Jack recht hatte, bedeutete
das X, das für Rupert stand, daß der Weg für ihn nach vorn, um zuzustechen,
frei war. Ist er Rechtshänder? War jemand zwischen ihm und Christopher gewesen?
Methodisch listete Mr. Pringle die Fragen auf, die er stellen mußte.
Mittwoch, 4. April 1984, abends
Das Taxi hielt gegenüber der
großartigen Terrasse vom Camden Crescent. Sie lag so hoch, daß man von ihr
einen der schönsten Ausblicke in Bath haben mußte, wenn das Wetter es zuließ,
dachte Mr. Pringle. Rupert hatte ihm etwas von einer Wohnung in der ersten und
zweiten Etage gesagt. Aus dem Dachgeschoß ertönte heisere Musik. Nicht die
Umgebung, die Mr. Pringle erwartet hatte. Ruperts Stimme kam sofort aus der
Gegensprechanlage am Eingang.
«Die Tür ist offen. Kommen Sie
rauf.» Mr. Pringle war plötzlich nervös. Warum? Er hatte sich bereits
überzeugt, daß logischerweise nichts auf Rupert hinwies. Warum war er also
ängstlich. Viele wußten, daß er heute hier zu Abend essen würde. Aber kümmerte
das überhaupt irgend jemanden, außer Mavis Bignall? Mr. Pringle verdrängte den
düsteren Gedanken und stieg die Treppe hinauf.
«Hallo!»
Er konnte erkennen, warum der
Künstler sich nicht bemüht hatte, herunterzukommen — es hätte die Wirkung
ruiniert. Rupert, in einem dunklen Seidenkimono, war eingerahmt von
glänzendweißem Holz. Der Kontrast blendete das Auge. Hinter ihm sah Mr. Pringle
nichts als Weiß. Weiß auf Weiß. Matte Wände, ein Schimmer auf den Holzteilen,
schmucklose weiße Leinwand, die in mathematisch berechneten Falten hing und den
gewaltigen Raum in Abstände teilte. Originale Stückarbeiten waren kombiniert
mit großzügigen Umbauten, so daß die beiden Etagen ineinander übergingen,
verbunden durch Bogen und halbe Treppenfluchten.
In der oberen Etage brannte ein
Feuer in einem Marmorkamin, flankiert von Sofas mit hellen Lederbezügen. Mr.
Pringle seufzte vor Vergnügen. Er hatte viel erwartet, aber dies war
überwältigend. Die einzige Farbe war in den Gemälden, die in sorgfältig
ausgesuchten Zwischenräumen an den Wänden hingen. Er blieb vor jedem einzelnen
stehen. Die Beleuchtung war so eingerichtet, daß sein Blick behutsam
weitergeführt wurde. Ein silberheller Teppich tat seinen Füßen gut. Rupert
schaute zu und wartete.
Mr. Pringle kehrte das zweite
Mal zu einem Bild zurück. Es war größer als die anderen und hing im Schatten eines
Bogens.
«Warum hängt es nicht im
Licht?» fragte er überrascht.
«Ich weiß es nicht. Ich war mir
nicht mehr sicher, nachdem es fertig war. Es schien unwichtig zu sein, während
ich es malte. Jetzt...» Er beließ es bei der unvollständigen Antwort. Mr. Pringle
schaute sich das Gemälde noch einmal an. Es war keine Arbeit, der man sich
näherte. Anders als Ruperts üblicher Stil war dies verwirrend. Turbulente
bildliche Vorstellungen und Farben, alles voller Unruhe. Er wandte sich ab. In
der oberen Etage zeigte Rupert auf Flaschen. «Scotch?»
«Sherry, wenn ich darf,
trockenen.» Er war ein bißchen mißmutig. Diese Bilder waren liebenswürdig,
abgesehen von dem unter dem Bogen, aber nicht bemerkenswert. Tatsächlich waren
sie, wenn er ehrlich war, eine Enttäuschung.
Karaffe und Glas waren aus
Kristall. Als er nippte, kam ihm ein anderer unangenehmer Gedanke: Was kostete
das alles wohl? Diese bemerkenswerte Wohnung, eingerichtet als Hintergrund und
Rahmen für den Künstler selbst, war die luxuriöseste, die Mr. Pringle je gesehen
hatte. Er gehörte zu einer Generation, die Fragen nach Geld als ungehörig
betrachtete, aber er war in der Aufsichtsbehörde Ihrer Majestät ausgebildet
worden. Mr. Pringle setzte sich und hörte zu. Rupert war erpicht darauf zu
sprechen, die Vernachlässigung zu beschreiben, in der sich die Wohnung befand,
als er sie kaufte, die Kämpfe mit der Bürokratie, ehe die Pläne akzeptiert
worden waren. Mr. Pringle schämte sich seiner Beurteilung. Schließlich
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