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Ihr Auftritt, Mr. Pringle!

Ihr Auftritt, Mr. Pringle!

Titel: Ihr Auftritt, Mr. Pringle! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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war er
Gast. Dann fiel ihm ein, daß Christopher Gordon in einer Blutlache gestorben
war.
    Geräusche kamen aus der
Dachgeschoßwohnung. Rupert runzelte die Stirn. «Diese elenden Studenten, die
wieder mal eine Party feiern.»
    «Studenten?»
    «Ja, die Zimmer oben sind
winzig, verglichen mit diesen. Früher mal für das Hauspersonal, vermute ich.
Macht nichts. Wir sind hier unten auf der Ebene der herrschenden Klasse.» Er
lächelte spöttisch. «Wir übertönen sie mit etwas, das klassischer ist.» Die
Hi-Fi-Anlage war vollkommen wie alles andere, aber Mr. Pringle konnte sich nicht
auf die Brandenburgischen Konzerte konzentrieren. Über dem Kamin starrte
ihn eine afrikanische Maske blind an. Das Holz war alt, aber das Gesicht hätte
das von Rupert sein können. Ein netter Scherz? Masken machten Mr. Pringle immer
unruhig. Außerdem stand die Befragung noch bevor.
    Er wartete bis zu einer Pause
und holte dann seinen Grundriß hervor.
    «Eine gute Idee von Jack»,
kommentierte Rupert, «aber ich glaube, ich kann sie noch verbessern.» Er ging
eine der Treppen hinunter zu einer Fensternische, in der sein Reißbrett stand.
Daneben stand ein weißes Schränkchen, ein verzwickter Entwurf mit Schüben und
Einsätzen auf Rädern. Rupert holte Pauspapier.
    «Sie brauchen eine Kopie des
Grundrisses für jeden, der dort war. Wir markieren alle, wo wir standen, wohin
wir gingen — falls wir uns bewegt haben. Sie legen alle Kopien aufeinander und
gewinnen so ein Bild über die Aufstellung — oder Sie sollten es gewinnen. Es
könnte jeden festnageln, der lügt.»
    Mr. Pringle seufzte. «Menschen
können bei Ermittlungen unnötig unwahrhaftig sein, häufig, um Sachen zu
verbergen, die mit dem Verbrechen überhaupt nichts zu tun haben, die aber
wichtig für sie sind. Das kann Sachverhalte verwirren. Ich habe gelernt, vielem
von dem zu mißtrauen, was man mir sagt.» Als Mann, der sein Leben mit der
Prüfung von Steuererklärungen verbracht hatte, war er eigenartig optimistisch.
«Ich glaube immer noch, daß es möglich ist, den größten Teil des Lebens die
Wahrheit zu sagen. Und selbstverständlich hoffe ich, einige Tatsachen durch
meine Formulare zu entdecken.» Abrupt hielt er inne. Er sollte seine Methoden
nicht mit jemandem erörtern, der im Regieraum gewesen war.
    Rupert schien es nicht gehört
zu haben. «Ich denke, ich werde meinen Assistenten bitten, dies morgen
vormittag für Sie zu zeichnen. Es wäre zu anstrengend, sich jetzt darum zu
kümmern.»
    «Könnten Sie...» Mr. Pringle
errötete, da ihm seine List bewußt war. «Könnten Sie mir vielleicht eine
flüchtige Skizze anfertigen? Meine ist zu grob, kaum zu gebrauchen.»
    Rupert zuckte die Achseln. «In
Ordnung.» Er zeichnete rasch. Rechtshänder, dachte Mr. Pringle und beobachtete
weiter, verblüfft. Rupert hatte aus einer Schublade weiche Bleistifte geholt
und arbeitete an der linken Seite der Skizze mit der anderen Hand. Er spürte,
daß Mr. Pringle ihn beobachtete, schaute auf und grinste. «Beidhändig. Erweist
sich manchmal als nützlich. Wenn die morgen fertig sind, soll mein Assistent
sie dann Artemis geben?»
    «Äh, ja, ich danke Ihnen. Sie
ist sehr tüchtig.» Mr. Pringle saß da, hielt seine eigene Skizze und kam sich
blöde vor.
    «Schenken Sie sich ein, während
ich das Essen zubereite.» Mr. Pringle fiel verspätet ein, daß er allein
gekommen war. «Mrs. Bignall läßt sich entschuldigen. Sie und ihre Schulfreundin
hatten bereits arrangiert, den Abend zusammen zu verbringen, fürchte ich.» Er
errötete noch mehr. Zwei Lügen innerhalb von zehn Minuten. Und er sprach von
Wahrheit.
    Rupert war in der modernen
Küche beschäftigt. «Macht nichts. Wenn Sie mir Fragen stellen wollen — ich möchte
nicht, daß jemand meine Antworten hört.» Er kam wieder in den Raum. «Das
bedeutet übrigens nicht, daß ich Christopher umgebracht habe. Könnten Sie die
öffnen? Der Kühler steht dort auf dem Beistelltisch.»
    Mr. Pringle ging mit der
Flasche vorsichtig um. Der Tisch war ein wunderschön geschnitztes Objekt aus
hellster Esche. Er hatte ihn kaum wahrgenommen. «Haben Sie auf dem Grundriß
gesehen, wo Sie nach Jack Kemps Meinung gestanden haben?»
    «Gewiß. Es sah in etwa richtig
aus.»
    «Befand sich jemand vor Ihnen?»
    Rupert lachte. «Zwischen mir
und dem Opfer, meinen Sie?»
    «Ja.»
    Sein Gastgeber trug aus der
Küche ein Tablett mit Horsd’œuvres herein. «Wissen Sie, dies ist das erste Mal,
daß ich einen Mann zum Abendessen eingeladen habe,

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