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Ihr Auftritt, Mr. Pringle!

Ihr Auftritt, Mr. Pringle!

Titel: Ihr Auftritt, Mr. Pringle! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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etwas
seitlich. Wir waren alle zusammengedrängt, wissen Sie. Auch er versuchte, sein
Gleichgewicht zu halten. Ich weiß nicht, ob er gestoßen wurde. Als er an mir
Halt fand, kippte Dorothys Tisch um. Sie muß ihn selbst umgeworfen haben.»
    «Wie ist das möglich, sie ist
doch gelähmt?»
    Rupert seufzte. «Vielleicht
haben Sie recht. Ich erinnere mich an einen scharfen Stoß im Rücken, und sie
rief irgendwas. Sie forderte mich auf, aus dem Weg zu gehen, weil sie nicht
durch mich hindurchsehen könne, glaube ich. Dann stieß Carl mich an. Als
nächstes fällt mir ein, als das Licht wieder anging, daß Malcolm zum Telefon
stürmte...»
    Sein eigenes neben ihm
klingelte und schreckte beide auf.
    Rupert nahm ab, grinste und
legte die Hand auf die Sprechmuschel.
    «Es ist die Polizei. Glauben
Sie, die werden mich statt Jack verhaften?» Mr. Pringle fand dies gar nicht
komisch. Der nächste Laut war ein scharfer Schrei. «Verdammte Hölle, nein!»
Rupert schlug äußerst wütend mit der Faust auf den Tisch. In einem Schwall von
Worten ging er von der Sprache des Intellektuellen in reines Westindisch über.
Mr. Pringle saß ganz still da. Er folgerte nur, daß mit dem Porträt eine
monumentale Katastrophe geschehen war. Das Telefon lag in Stücken zwischen
zerbrochenem Steingut und Glas. Rupert verschwand im Schlafzimmer und kam kurz
darauf in Pullover und Hose wieder heraus.
    «Kommen Sie!» zischte er.
«Hocken Sie hier nicht einfach herum! Kommen Sie und sehen Sie einen richtigen
Mord, na los!»
    Der Griff am Arm schmerzte Mr.
Pringle. Er stolperte nach draußen und in einen Wagen. Die Fahrt zu den Studios
war erfreulich kurz. Rupert bremste vor dem Eingang zur Nottreppe. Der
diensthabende Beamte sah gleichgültig aus. Mr. Pringle spürte Zorn in sich
aufwallen. Verhielt sich der Polizist so, weil Rupert schwarz war? Er war auf
der Treppe nach oben verschwunden. Mr. Pringle folgte langsamer.
    Das seidene Zelt und die
Stadtansichten waren unbeschädigt, aber er hörte Rupert schluchzen. Er
erreichte die oberste Stufe. Polizisten, die auf sie warteten, machten
verlegene Gesichter. Er würde jetzt gern etwas zerschmettern und weinen.
Das Porträt hing in Fetzen, die nur noch vom Rahmen an der Wand gehalten
wurden. Nicht der sinnlose Messerschnitt eines Geistesgestörten hatte hier
gewütet, sondern systematischer Vernichtungswille. Mr. Pringles Herz klopfte,
er schmeckte Galle. Ein Polizeibeamter sagte: «Wir würden gern einige Fragen
stellen...»
    «Nein! Nicht jetzt. Es gehört
sich nicht, jedenfalls nicht, solange er in diesem Zustand ist. Wer hat hier
die Aufsicht?»
    Er war erstaunt, seine eigene
Stimme zu hören. Sie hatte eine unmittelbare Wirkung auf den Beamten, der sich
automatisch aufrichtete und dann ein verärgertes Gesicht machte, weil er das
getan hatte.
    «Ich glaube nicht, daß wir Sie festnehmen müssen, Sir, vielen Dank.» Das war nicht wirkliche Dankbarkeit,
sondern die feste Aufforderung zu gehen. Mr. Pringle rührte sich nicht. Wenn
sie nicht das Ungeheuerliche verstanden, das hier geschehen war, warum sollte
er sie dann respektieren? Aus dem ruhigen pensionierten Bürger Mr. Pringle
wurde plötzlich ein Löwe oder zumindest ein zorniger Igel. Er sträubte die
Stacheln gegen sie.
    «Ich wiederhole meine Frage.
Wer hatte Dienst, als diese — diese schreckliche Sache passierte?»
    «Ich wüßte nicht, daß Sie das
etwas angeht...»
    «Es geht mich sehr wohl etwas
an, wegen der offensichtlichen Verbindung zu dem, was am Montag abend auf der
anderen Seite der Tür passiert ist.»
    Warum auf Erden hatte er das
nur gesagt? Er hatte nicht die leiseste Ahnung. Mr. Pringle war erschreckt und
schwieg. Der Beamte schaute ihn genau an, dann auf die Tür. «Vielleicht möchten
Sie das näher erläutern?»
    «Bestimmt nicht.» Seine
Bedachtsamkeit kehrte zurück. «Kommen Sie», sagte er so sanft wie möglich. «Wir
gehen nach Hause.» Rupert sah aus, als verstehe er nichts.
    «Wir werden das Bild an unser
forensisches...»
    «Niemand rührt es an, bis ein
Kunstexperte es geprüft hat», brüllte Mr. Pringle, «um festzustellen, ob es
restauriert werden kann oder nicht. Das ist ein Befehl.» Der Polizist starrte
ihn an. Er sollte wirklich gehen. Wenn er noch einen Augenblick länger blieb,
könnte er etwas sagen, das er bedauern würde. Diesmal sprach er schärfer mit
Rupert, damit dieser verstand.
    «Kommen Sie mit mir. Wir gehen
nach Hause.»
    Es war die Umkehrung dessen,
was vorher geschehen war. Diesmal

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