Ihr letzter Tanz
nehmen wollen. Aber es war auch sehr angenehm, sie von einer Seite zu erleben, die sie sonst hinter einer Fassade verbarg. Nicht, dass diese Fassade sie zu einem unangenehmen Menschen gemacht hätte. Sie war im Umgang mit anderen stets freundlich und entgegenkommend, das hatte er mehr als einmal erlebt. Nein, es war eine unsichtbare Mauer, hinter der sie einen Teil ihrer Persönlichkeit verbarg. Er fragte sich, ob das auch der Fall gewesen wäre, wenn er sie vor Laras Tod kennen gelernt hätte.
Heute Abend war ihr Lächeln ehrlich und kam von Herzen. Obwohl sie so leger gekleidet war, war sie ihm noch nie anziehender erschienen. Ihr Haar wirkte, als sei es mit Gold durchwirkt, ihre Augen funkelten in reinstem Smaragdgrün. Die Haut war fast so hell wie Elfenbein, sanft und seidig. Und dieser Duft, der sie umgab …
Er sollte aufstehen, doch er wollte es nicht. Mit einem Mal war er sich auch gar nicht sicher, warum er auf Distanz zu ihr gehen sollte. Er wollte sie berühren, eine goldene Haarlocke aus der Stirn streichen – und er tat es auch. Sie erschrak über diese unvermittelte Berührung und sah ihn lange an.
„Tut mir Leid, Shannon, Sie machen gerade einen ziemlich verlorenen Eindruck.“
„Oh, das täuscht. Ich weiß genau, wohin ich will“, erwiderte sie leise.
„Warum haben Sie nichts davon gesagt, dass Sie mal was mit Ben Trudeau hatten?“
Sofort versteifte sie sich und machte ein Gesicht, als wolle sie aufstehen und allein nach Hause laufen.
„Ganz ruhig …“, sagte er und legte sanft eine Hand auf ihre Schulter. „Es war nur eine harmlose Frage.“
„Ach ja? Es geht Sie aber nichts an“, gab sie zurück.
„Ich habe die Leute darüber reden hören, weiter nichts.“
„Die Leute reden darüber? Ist ja toll. Dabei ist das schon eine Ewigkeit her.“
„Sie hätten es erwähnen können.“
Wieder sah sie ihn an, diesmal war ihr Blick kühl. „Warum hätte ich das machen sollen? Wir sind nicht plötzlich die engsten Freunde.“
Quinn zuckte mit den Schultern. „Ich schätze, da haben Sie Recht.“
„Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass Sie bei mir auf der Couch gesessen und mir Geheimnisse aus Ihrem Liebesleben verraten haben“, fuhr sie fort.
Er sah sie amüsiert an. „Shannon, als ich bei Ihnen auf der Couch saß, sind Sie nach zehn Minuten eingeschlafen. Ach, übrigens, der Film hat mir gut gefallen.“
Shannon wurde rot und sah zur Seite. „Entschuldigung. Es war nett von Ihnen, dass Sie geblieben sind. Sie sind ein verdammt anständiger Kerl. Ich möchte nicht, dass irgendjemand sonst etwas davon erfährt, wie lachhaft verrückt ich mich verhalten habe.“
„Dann sind Sie
also doch
nervös. Wieso?“
„Einfach nur so.“ Sie schüttelte den Kopf, dann zögerte sie kurz. „Also gut. Ich dachte, im Garten hätte sich etwas oder jemand bewegt. Es ist lächerlich, sich deswegen zu ängstigen. Der Nachbar hat den Hund, und in der Gegend streunen zahlreiche Katzen herum. Und ab und zu lässt sich sogar ein Opossum oder ein Waschbär blicken. Ich weiß, es ist albern, aber ich kann nichts dagegen tun.“
„Ist schon in Ordnung“, sagte er leise.
„Tut mir Leid, ich halte Sie bestimmt von irgendetwas ab“, gab sie zurück.
„Ich habe Ihnen angeboten, Sie nach Hause zu fahren. Das werde ich auch gerne tun.“
„Ja, ich weiß. Trotzdem …“
„Ich bin weder verheiratet, noch habe ich eine Freundin“, erklärte er unaufgefordert.
„Das wollte ich überhaupt nicht wissen.“
„Sie sagten, ich hätte Ihnen nichts über mich erzählt.“
„Das habe ich gesagt, weil Sie sich so anhörten, als hätte ich Ihnen von Ben erzählen müssen. Wieso meinen Sie das?“
„Aus keinem speziellen Grund.“
Sie betrachtete die leere Bierflasche in ihrer Hand, dann sah sie ihn an. „Eins nehme ich noch. Wenn ich dann zu Hause bin, werde ich schlafen, als wäre ich tot.“ Unwillkürlich zuckte sie zusammen. „Ich werde tief und fest schlafen, meine ich.“
Quinn nahm ihr die leere Flasche ab und holte eine neue. „Sind Sie sicher, dass Sie noch ein Bier wollen?“
„Ich bin achtundzwanzig, ich bin sicher.“
„Ich möchte nachher nicht von Ihnen hören, ich hätte die Gelegenheit ausgenutzt, nur weil Sie angetrunken waren.“
Sie hob fragend die Augenbrauen, dann begann sie ihn anzulächeln. „Haben Sie denn geplant, die Gelegenheit auszunutzen?“
„Ich habe gar nichts geplant“, antwortete er, reichte ihr die volle Flasche und setzte sich zu ihr.
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