Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
Musikanlage die penibel mathematische Toccata und Fuge in d-Moll von Johann Sebastian Bach, wie um die unheilschwangere Dramatik der vor ihnen liegenden Aufgabe zu untermalen.
» Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir etwas anderes hören?«, fragte Inga Jäger vorsichtig, in Kauf nehmend, sich mit der Frage als schlechte Beifahrerin zu outen. Aber zumindest im ersten Teil, der Toccata, erinnerte sie das Orgelwerk zu sehr an eine Totenmesse… und an die letzte, die sie besucht hatte.
» Kein Problem«, meinte Gebert. » Nur kein Radio. Das Gequatsche der Moderatoren ertrag ich nicht. Im Handschuhfach sind jede Menge CD s.«
» Sie haben keine mp3s?«
» Hey, ich bin schon froh, dass ich mich endlich an CD s gewöhnt habe«, erwiderte er mit einem Lachen.
Sie beugte sich nach vorn, um das Handschuhfach zu durchsuchen. Schon beim Öffnen quoll ihr alles Mögliche und Unmögliche entgegen– verpackte und unverpackte Hustenbonbons, billige Werbekugelschreiber mit inzwischen abgegriffener Aufschrift, Einwegfeuerzeuge und sogar eine Packung Kondome. Dahinter fand sie die Kladde mit den CD s. Sie öffnete den Reißverschluss und blätterte die CD s in den durchsichtigen Hüllen durch.
» Kuschelrock?«, fragte sie überrascht.
Er zuckte mit den massiven Schultern. » Man kann ja nie wissen. Vielleicht braucht man sie ja mal.«
» Es gibt selbst im einundzwanzigsten Jahrhundert noch Frauen, die dabei nicht augenblicklich flüchten?«
» Oh«, machte er. » In diesem Jahrhundert hatte ich noch keine Gelegenheit, sie auszuprobieren.«
» Dann schaue ich wohl besser nicht auf das Verfallsdatum der Kondome.«
Er räusperte sich– eine klitzekleine Spur verlegen. » Das wäre lieb von Ihnen.«
Schmunzelnd widmete sie sich wieder den CD s, und nachdem sie schließlich auf der letzten Seite der Kladde angelangt war und festgestellt hatte, dass auch keine hiervon jünger war als fünfzehn Jahre, entschied sie sich für A Kind of Magic.
» Queen ist immer gut«, sagte sie und wechselte die Scheiben.
Sie hörten sich das erste Lied schweigend an.
Dann fragte Gebert unvermittelt in die Pause danach hinein: » Das ist wirklich Ihr Ernst, oder?«
» Mein Ernst?«, fragte Inga Jäger. » Was meinen Sie?«
» Diese aktive Mitarbeit an dem Fall«, erklärte er. » Heute Morgen hätte ich noch schwören können, Ihr Besuch am Tatort wäre nichts weiter als Profiliergehabe anlässlich Ihres Dienstbeginns hier bei uns in Wiesbaden.«
» Und jetzt?«
» Jetzt habe ich das Gefühl, Sie wollen wirklich an der Basis mitarbeiten.«
» Das irritiert Sie.«
» Nun ja, es ist nicht gerade typisch für einen Staatsanwalt«, gab er zu.
» Aber es ist durchaus im Rahmen meiner Befugnisse«, sagte sie sachlich.
» Ja, das ist es wohl«, räumte er zögerlich ein. Dann holte er tief Luft und fragte: » Also, was ist Ihre Story?«
» Meine Story?«
» Ja. Was treibt Sie an? Warum so enthusiastisch? Hat das eventuell etwas mit Ihrer Vergangenheit in Hamburg zu tun?«
» Wird das jetzt ein Verhör, Herr Kommissar?«
Er grinste. » Das ist eine Berufskrankheit, nehme ich an. Und Sie wissen, was ich meine. Sie waren schließlich selbst einmal ein Cop. Liegt es daran?«
» Woran?«
» An dem Jagdinstinkt«, erläuterte er. » Können Sie deswegen vielleicht nicht einfach in Ihrem Büro sitzen wie Ihre Kollegen und auf die Ermittlungsergebnisse warten? Aber dann wiederum stellt sich mir natürlich die Frage, warum Sie dann überhaupt Staatsanwältin geworden sind.«
» Wissen Sie, Herr Gebert, wir kennen einander noch nicht lange und auch nicht gut genug, als dass ich mit Ihnen über meine Beweggründe sprechen würde«, sagte sie und versuchte, es nicht abweisend klingen zu lassen. Kein Grund, ihn für sein Interesse vor den Kopf zu stoßen. » Aber seien Sie bitte versichert und beruhigt, meine Entscheidung, mit im Feld aktiv zu sein, ist kein versteckter Versuch, Sie oder Ihre Mitarbeiter zu prüfen oder zu bewerten.«
» Mangelndes Vertrauen?«
» Nein.«
Er schwieg eine Weile. Dann brummte er: » Gut. Wie ich im Weinberg schon sagte: Solange Sie meine Truppe und mich nicht bei der Arbeit stören, geht das klar für mich.«
» Habe ich Sie bisher gestört?«
» Die Idee mit dem Ehering war gut«, räumte er ein, ohne auf ihre direkte Frage zu antworten. » So gut, dass Elli schon angefangen hat, Sie zu mögen.«
» Woraus schließen Sie das?«
» Ich kenne Elli schon sehr lange.«
» Sie sagen das so, als sei es eine
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