Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
Willy«, sagte Gebert in– wie Inga Jäger sofort merkte– nur gespielter Empörung.
» Ich nehm auch eins«, beeilte sie sich zu sagen, um das Eis zu brechen. » Mit ’nem nicht allzu kleinen Schuss Limo bitte… wenn Sie haben.«
» Klar doch«, sagte Willy Andres mit aufhellendem Gesicht. » Macht’s euch doch schon mal bequem. Bin gleich wieder da.«
Er ging in die Küche, und Inga Jäger und Gebert betraten das Wohnzimmer.
Die Wohnung roch eindringlich nach erkaltetem Rauch und viel zu selten gewechseltem Katzenstreu. Das Wohnzimmer war viel zu klein für die dort stehende Couchgarnitur und den Wandschrank. Sie stammten wohl beide noch aus einer größeren Wohnung… einer besseren Zeit.
Auf der Sofalehne räkelten sich zwei Katzen; die eine schwarz, die andere grau-braun-gelb getigert. Sie beachteten die Neuankömmlinge gar nicht, und das war Inga Jäger nur recht. Sie fand Katzen nur schön, solange sie auf Abstand blieben.
Das Panoramafenster zum winzigen Balkon hin war groß und offenbar schon seit einigen Jahren nicht mehr geputzt worden. Dafür aber war der Ausblick über das in der Herbstsonne liegende Wiesbaden hinweg atemberaubend.
Inga Jäger behielt ihren Mantel nicht wegen der Temperatur an, sondern aus Hygieneüberlegungen heraus, und setzte sich ganz vorn auf die Kante eines der beiden Sessel.
Gebert verscheuchte ganz schamlos die Katzen und nahm auf dem abgewetzten Dreiersofa Platz.
Willy Andres kehrte mit zwei Flaschen Bier und einer Flasche heller Limonade zurück und holte drei Gläser aus der Vitrine des Wandschranks. Eines der Biere reichte er Gebert, das andere mischte er zusammen mit der Limo in zwei Gläser und hielt eines davon Inga Jäger hin.
» Hier, bitte, Ihr Radler«, sagte er.
» Alsterwasser«, sagte sie.
» Plörre«, sagte Gebert angewidert, ignorierte das Glas und trank direkt aus der Flasche, während Willy Andres sich in den zweiten Sessel setzte. Sogleich kamen die Katzen schutzsuchend auf seinen hageren Schoß gesprungen, und er kraulte sie, um sie zu beruhigen.
» Was kann ich für euch tun?«, fragte er Gebert.
» Erinnerst du dich noch an den Mord auf dem Eichberg?«, fragte Gebert.
Willy Andres grübelte angestrengt. Dann klarte sein Gesicht allmählich auf. » Du meinst den Mord im Rheingau, oben in den Weinbergen bei der Psychiatrie?«
» Genau den.«
» Oje«, seufzte der ehemalige Kommissar. » Das ist doch inzwischen bestimmt schon über fünfzehn Jahre her.«
» Dreizehn«, korrigierte ihn Inga Jäger. » Das damalige Opfer hieß Magda Eser.«
Willy Andres nickte. Als die Erinnerungen kamen, verschwand auch nach und nach die Müdigkeit aus seinen Augen, und Inga Jäger erkannte darin eine Spur seines früheren Scharfsinns.
» Die haben ihren Mann dafür verurteilt«, sagte er. » Thomas hieß der, glaube ich.«
» Ja«, bestätigte Gebert. » Er sitzt noch heute dafür ein.«
» Hm«, machte Andres. » Armer Kerl.«
» Wieso sagen Sie das?«, fragte Inga Jäger.
» Ich hab nie wirklich geglaubt, dass er es war, der seine Frau umgebracht hat«, erklärte Andres. » Aber die Staatsanwaltschaft und der Richter sahen das anders. Die waren froh, dass sie jemanden hatten, dem sie die Sache anhängen konnten. Weil, einen anderen Verdächtigen gab es nicht. Ich hab mir– ehrlich– wochenlang den Arsch aufgerissen, einen zu finden. Sogar noch, nachdem die Verhandlung schon begonnen hatte.«
» Sagt Ihnen von diesen Ermittlungen her der Name Heiko Reichard etwas?«
» Heiko Reichard?« Wieder überlegte er ausgiebig. Dann sagte er: » Nein, den Namen habe ich noch nie gehört. Was hat er denn mit dem Fall zu tun?«
» Das wissen wir noch nicht genau«, sagte Gebert und nahm einen weiteren Schluck direkt aus der Flasche. » Seine Frau wurde vorgestern Nacht auf die gleiche Weise und an derselben Stelle ermordet wie 1997 Magda Eser.«
Andres’ Gesicht nahm einen erstaunten Ausdruck an. » Die gleiche Vorgehensweise? Gezwungen, sich in den Dreck zu knien, sie dann in den Hinterkopf geschossen und ihr das Herz entfernt?«
» Sogar mit derselben Waffe«, ergänzte Inga Jäger. » Über die sind wir überhaupt erst auf die Verbindung gestoßen. Und das sind nicht die einzigen Fälle.«
» Nein?«
» Nein. Es gab schon einmal einen«, sagte sie. » 1984. Das Opfer hieß Marlene Krüger.«
» Auch auf dem Eichberg?«
Inga Jäger nickte. » Und auch ihr hatte man das Herz herausgeschnitten.«
» Unmöglich.«
» Glaub ihr ruhig«, riet ihm
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