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Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)

Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Hagen
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Gebert.
    Willy Andres pfiff durch die Zähne. » Wieso wusste ich dann davon nichts?«
    » Ich fürchte, das lag an der ganz normalen Personalfluktuation«, vermutete Inga Jäger. » Sie waren 1984 noch nicht beim LKA in Wiesbaden, richtig?«
    » Richtig«, bestätigte er. » Da war ich noch in Kassel.«
    » Sehen Sie«, sagte sie. » Und dadurch, dass auch der erste Fall als aufgeklärt galt und damals die Datenbanken noch amateurhafter waren als heute, konnten Sie gar nichts davon wissen, zumal der Kollege, der ihn bearbeitet hat, Ende der Achtziger bei einem Autounfall ums Leben kam. Als Sie also an der Ermordung Magda Esers gearbeitet haben, war der Fall Krüger schon längst eine vergessene Karteileiche im Keller des Archivs.«
    » Wir haben an den Unterlagen gesehen«, schob Gebert dazwischen, » dass er erst vor sechs Jahren überhaupt ins Computersystem eingespeist wurde.«
    » Deswegen haben Sie auch«, fuhr Inga Jäger fort, » anders als wir, bei der Suche nach einer zu der Kugel passenden Pistole keine Übereinstimmungen mit anderen Verbrechen gefunden.«
    » Drei Morde auf die gleiche Weise, an derselben Stelle, und das verteilt über sechsundzwanzig Jahre?« Willy Andres konnte es immer noch nicht fassen. » Das muss doch wenigstens in der Rheingauer Bevölkerung jemandem aufgefallen sein.«
    Gebert schüttelte den Kopf. » Das aktuelle Opfer ist aus Frankfurt, und bis jetzt haben wir die Presse noch nicht informiert. In deinem Fall war das Opfer aus Wiesbaden, und die Krügers kamen aus Mainz. Keiner der Fälle war groß in den Schlagzeilen. Ich bezweifle, dass die Rheingauer das überhaupt richtig mitgekriegt haben.«
    Inga Jäger brachte ihr Erstaunen darüber zum Ausdruck.
    » Sie sind neu hier«, sagte Gebert. » Daher können Sie das noch nicht wissen: Diese Gegend ist etwas, sagen wir einmal, speziell in ihrer Abgrenzung zum Rest der Welt. Ganz anders als die meisten anderen Gegenden in Deutschland. Allein schon aufgrund der Geographie.«
    » Inwiefern?«
    » Das hat gleich mehrere Gründe«, begann Willy Andres zu erklären. » Lassen wir mal Frankfurt ganz außer Acht– das ist ein Kapitel für sich–, und beginnen wir bei Wiesbaden und Mainz; das eine ist die Landeshauptstadt von Hessen, das andere die von Rheinland-Pfalz. Also, obwohl nur ein bisschen Fluss dazwischen liegt, sind das in den Köpfen ihrer Bewohner zwei völlig voneinander isolierte Städte.«
    » Ein Wiesbadener würde niemals nach Mainz zum Einkaufen fahren oder zum Essen gehen und genauso umgekehrt«, fügte Gebert hinzu.
    » Ja, genau«, sagte Andres. » Das Verhältnis ist ein bisschen wie das zwischen Köln und Düsseldorf; aber die gehören ja wenigstens noch zu ein und demselben Bundesland. Das Ganze wird in Richtung Westen noch schlimmer. Am Südufer des Rheins, dem rheinland-pfälzischen also, leben zwischen Mainz und Bingen die › Sandhasen‹, wie die Rheingauer am hessischen Nordufer sie nennen. Das Verhältnis zwischen denen und den Rheingauern ist in etwa wie zu meiner aktiven Zeit das Verhältnis zwischen den Fans vom HSV und Bayern München oder Schalke und Dortmund. Und so wie der Rheingau und damit der Horizont des Rheingauers im Süden an den Rhein grenzt, grenzt er im Norden nach nur ein paar Kilometern an die Ausläufer des Taunus, die im Westen oberhalb Rüdesheims im Niederwald enden. Hier endet auch im Kopf der meisten Rheingauer der Rheingau– obwohl er offiziell noch ein paar Dörfer weiter reicht. Im Grunde genommen ist der Rheingau im wahrsten Sinne des Wortes ein Landstrich, also eine kleine, geographisch völlig isolierte Kette von Dörfern und Gemeinden. Und jetzt kommt das große Mysterium: Obwohl der Rheingau im Osten direkt an Wiesbaden stößt, also aus unserer Perspektive direkt vor der Haustür liegt, beide zum selben Bundesland gehören und sich dazwischen auch weder Fluss noch Berge befinden, ist auch Wiesbaden dem Rheingauer Feindesland. Ausland. Einfach ganz weit weg. Für die meisten, zumindest die älteren Rheingauer, könnte › die Stadt‹, wie sie Wiesbaden nennen, auch am anderen Ende der Milchstraße liegen. Man hat mit ihr und dort nichts zu tun. Und › die Städter‹ sind gerade mal als Weinkunden und Gastro-Touristen willkommen. Wehe, es zieht einmal einer von denen in den Rheingau hinein. Der braucht zehn Jahre, bis der auf der Straße gegrüßt wird.«
    » Willy will sagen«, schaltete Gebert sich ein, » wären die Opfer Rheingauerinnen gewesen, hätte das jeder

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