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Ihr wahrer Name

Ihr wahrer Name

Titel: Ihr wahrer Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
    Natürlich war die Wahrscheinlichkeit, daß die Ajax in den dreißiger Jahren eine Menge Policen in Mittel- oder Osteuropa verkauft hatte, gering, es sei denn, die Ajax hätte dort eine Tochtergesellschaft unterhalten, aber das glaubte ich nicht. Versicherungen waren wie die meisten anderen Geschäfte auch vor dem Zweiten Weltkrieg eine regionale Angelegenheit gewesen. Doch möglicherweise hatte die Edelweiß selbst mit Holocaust-Opfern zu tun gehabt. Allerdings hatte Janoff, der Direktor der Ajax, heute mit Amy Blounts Firmengeschichte in der Hand behauptet, die Edelweiß sei vor dem Krieg lediglich in einem kleinen regionalen Rahmen tätig gewesen. Ich fragte mich, wie aus der Edelweiß das große internationale Unternehmen von heute geworden war. Vielleicht hatte sie während des Kriegs abgesahnt - damals waren die Möglichkeiten, Geld zu verdienen, vermutlich vielfältig gewesen angesichts der Chemikalien, optischen Geräte und anderen Dinge, die die Schweiz für den Krieg der Deutschen herstellte. Natürlich hatte das nichts mit dem Gesetzentwurf von Illinois zu tun, der sich ausschließlich mit Lebensversicherungen beschäftigte, aber die Menschen lassen sich bei Abstimmungen eher durch Emotionen als durch Fakten leiten. Wenn jemand nachwies, daß die Edelweiß mit Hilfe der Kriegsmaschinerie im Dritten Reich ein Vermögen verdient hatte, würde die Legislative das Unternehmen sicher strafen, indem sie die Offenlegung der Lebensversicherungsakten forderte.
    Der Fahrer der Limousine öffnete die Wagentür und stieg aus. Ich blinzelte: Es war ein Chicagoer Polizist. Also hielt sich ein Vertreter der Stadt aus offiziellem Anlaß hier auf. Als sich die Tür des Gebäudes öffnete, setzte ich mich auf, um zu sehen, ob der Bürgermeister herauskommen würde. Doch als ich den Mann, der tatsächlich heraustrat, erkannte, fiel mir die Kinnlade herunter. Den großen Kopf und das maßgeschneiderte marineblaue Jackett hatte ich zwei Stunden zuvor in der Innenstadt gesehen. Alderman Louis »Bull« Durham. Nun, es wohnten viele mächtige Leute hier auf diesem Abschnitt des Lake Shore Drive, aber ich wäre jede Wette eingegangen, daß Durham Rossy besucht hatte.
    Während ich noch das Gebäude anstarrte, in dem Rossy wohnte, und mir Gedanken darüber machte, was da im Gange war, erlebte ich zum zweitenmal eine Überraschung: Eine Gestalt mit schwarzem Hut und Schläfenlocken kam wie ein Schachtelteufel aus dem Gebüsch und marschierte in das Haus. Ich stieg aus dem Wagen und ging ein Stück die Straße hinunter, so daß ich in den Eingang sehen konnte. Dort redete Joseph Posner mit heftigen Handbewegungen auf den Portier ein. Was zum Teufel ging da vor sich?

30
    Party Time?
    Als ich eine Stunde später schwer atmend in das Gebäude lief, in dem die Rossys wohnten, hatte ich Durham und Posner vorübergehend vergessen. Meine Gedanken waren hauptsächlich bei Lotty, die ich wieder einmal ziemlich niedergeschlagen verlassen hatte. Allerdings war ich mir auch bewußt, daß ich, obwohl ich den knappen Kilometer von ihrer Wohnung hierher rennend zurückgelegt hatte, zu spät zu den Rossys kommen würde. Atemlos hatte ich einen Zwischenstopp bei meinem Wagen gemacht, um meinen Pullover mit dem hohen Kragen sowie die Schuhe mit den Kreppsohlen aus- und die Pumps anzuziehen. Hinterher hatte ich die Ohrringe meiner Mutter angelegt und, während ich schon über die Straße lief, meine Haare gekämmt. Auf dem Weg in den zehnten Stock versuchte ich schließlich im Aufzug, mich ein wenig zu schminken. Trotzdem fühlte ich mich beim Aussteigen zerzaust. Dieses Gefühl verstärkte sich noch, als meine Gastgeberin sich von ihren anderen Gästen abwandte, um mich zu begrüßen.
    Fillida Rossy war Anfang Dreißig und fast so groß wie ich. Ihre weite Rohseidenhose und der Bouclepullover, beide in Mattgold, betonten nicht nur ihre schlanke Figur, sondern zeugten auch von ihrem Wohlstand. Die dunkelblonden Locken hatte sie mit einigen Diamantclips zurückgesteckt, und ein weiterer, größerer Diamant schmiegte sich in die Mulde über ihrem Brustbein. Sie umfaßte meine ausgestreckte Hand und hätte sie fast gestreichelt. »Mein Mann hat mir so viel von Ihnen erzählt, daß ich ganz gespannt bin auf Sie, Signora«, sagte sie auf italienisch. »Er hat erwähnt, daß Sie ihm aus der Hand gelesen haben.«
    Ohne mich loszulassen, führte sie mich zu den anderen Gästen, unter denen sich der italienische

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