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Ihr wahrer Name

Ihr wahrer Name

Titel: Ihr wahrer Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Hintergrund gesessen, doch nun erhob er sich. »Genau. Kommen Sie mit, mein Lieber. Dr. Herschel muß sich ausruhen.«
    Don legte den Arm um ihn. Zusammen mit Morrell schob er den unwilligen Radbuka, der den Kopf so weit eingezogen hatte, daß er fast in seiner großen Jacke verschwand, in Richtung Tür. Sein Gesicht wirkte so elend und verwirrt wie das eines traurigen Clowns im Zirkus. Als sie weg waren, wandte ich mich Lotty zu. »Wer war Sofie Radbuka?« Sie bedachte mich mit einem eisigen Blick. »Niemand, den ich kenne«
    »Warum bist du dann in Ohnmacht gefallen, als du ihren Namen gehört hast?«
    »Bin ich nicht. Ich bin mit dem Fuß über den Teppich gestolpert, und...«
    »Lotty, wenn du's mir nicht sagen willst, dann behalt es für dich, aber bitte erzähl mir keine solchen dummen Lügen.«
    Sie biß sich auf die Lippe und wandte den Kopf von mir ab. »In diesem Haus geht es heute um viel zu viele emotionale Dinge. Zuerst waren Max und Carl zornig auf mich, und dann taucht dieser Mann auf. Ich kann's nicht brauchen, daß du jetzt auch noch wütend auf mich bist.« Ich setzte mich auf den Korbtisch vor ihrem Sofa. »Ich bin nicht wütend. Aber zufällig war ich allein im Flur, als der Mann vor der Tür stand, und nach zehn Minuten in seiner Gesellschaft war mir ganz wirr im Kopf. Und wenn du dann noch in Ohnmacht fällst oder fast umkippst und hinterher behauptest, daß alles in Ordnung ist, wird mir noch wirrer. Ich bin nicht hergekommen, um dich zu kritisieren, doch am Freitag warst du so durcheinander, daß ich mir ernsthaft Sorgen um dich gemacht habe. Die ganze Sache scheint mit dem Auftauchen dieses Mannes bei der Birnbaum-Konferenz angefangen zu haben.«
    Nun sah sie mich wieder an. Ihr Hochmut verwandelte sich plötzlich in Bestürzung. »Victoria, es tut mir leid - ich bin egoistisch gewesen und habe nicht daran gedacht, welche Wirkung mein Verhalten auf dich haben muß. Du verdienst eine Erklärung.«
    Sie saß stirnrunzelnd da, als versuche sie zu entscheiden, welche Art von Erklärung ich verdiente. »Ich weiß nicht, ob ich dir die Beziehungen mit anderen in jenem Teil meines Lebens hinreichend klarmachen kann. Wieso ich so eng mit Max und auch mit Carl befreundet bin. Damals waren wir eine Gruppe von neun Flüchtlingskindern, die im Krieg zu guten Freunden wurden. Wir haben uns über die Musik kennengelernt; eine Geigerin aus Salzburg, selbst Flüchtling, kam nach London und sammelte uns auf. Sie hat Carls Begabung erkannt, ihm Unterricht gegeben, dafür gesorgt, daß er eine gute Musikausbildung erhielt. Da waren noch ein paar andere. Teresz zum Beispiel, die später Max heiratete.
    Ich. Mein Vater war Geiger gewesen. Cafehausmusik, nicht die Sachen von den Soireen, die Frau Herbst organisierte, aber handwerklich gut - ich glaube zumindest, daß er handwerklich gut war, doch woher soll ich das wissen? Ich habe ihn ja nur als Kind gehört. Jedenfalls habe ich es geliebt, der Musik bei Frau Herbst zu lauschen, obwohl ich selbst keine Begabung hatte.« »Hieß eine Person aus der Gruppe Radbuka? Warum interessiert Carl sich so sehr dafür? Handelt es sich um eine Frau, in die er verliebt war?«
    Sie lächelte gequält. »Das müßtest du ihn selber fragen. Radbuka war der Name von... jemand anders. Max hatte schon als junger Mann großes Organisationstalent. Als der Krieg vorbei war, ist er in London zu den verschiedenen Gesellschaften gegangen, die den Leuten dabei halfen, etwas über ihre Familien zu erfahren. Dann ist er auf den Kontinent zurückgefahren, um dort weiterzusuchen. Ich glaube, das war 47, aber nach all der Zeit weiß ich das Jahr nicht mehr mit Sicherheit. Damals ist der Name Radbuka aufgetaucht. Es gab niemanden mit diesem Familiennamen in der Gruppe. Deshalb konnten wir Max bitten, sich zu erkundigen. Weil wir uns alle so nah waren, nicht wie eine Familie, sondern wie etwas anderes, vielleicht wie eine Kampftruppe, die jahrelang zusammengehalten hat.
    Max hatte für fast alle von uns niederschmetternde Nachrichten. Keine Überlebenden. Das galt für die Herschels und die Tisovs. Seinen eigenen Vater und zwei Cousins hat Max gefunden, aber das war wieder eine schreckliche... « Sie brach mitten im Satz ab.
    »Ich hatte damals gerade mit meiner Ausbildung zur Ärztin angefangen, die meine ganze Kraft in Anspruch nahm. Carl hat mir immer Vorwürfe gemacht wegen... nun, sagen wir einfach, etwas Unangenehmes hat sich im Zusammenhang mit der Person aus der Radbuka-Familie ergeben.

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