Illusion - das Zeichen der Nacht
waren ihre Lider feucht und ihr Blick getrübt. Durch einen feinen Schleier sah sie die Silhouette eines Mannes, der reglos direkt hinter Alex stand.
Der Anblick dauerte wieder nur einen Sekundenbruchteil, aber lang genug, um Janas lustvolle Stimmung empfindlich abzukühlen.
Es war Alex. Oder besser gesagt, es war der Schatten von Alex. Ein durchscheinender, körperloser Schatten, der sich verflüchtigte, sobald sie ihre Aufmerksamkeit darauf zu richten versuchte.
Jana löste sich aus den Armen des Alex aus Fleisch und Blut, den sie vor sich hatte. Auf einmal war ihr eiskalt und sie konnte die Berührung ihres Freundes nicht mehr ertragen.
»Was hast du?«, fragte er erschrocken. »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
»Ich drehe durch«, murmelte Jana und wich ein paar Schritte zurück. »Lass uns gehen. Lass uns bitte so schnell wie möglich gehen.«
Aber Alex schüttelte nur den Kopf. »Nein.« Sein Ton war unnachgiebig, aber nicht gereizt. »Tut mir leid, aber wir können noch nicht gehen. Das ist der wichtigste Moment deines Lebens, Jana, und ich werde nicht zulassen, dass du wegen irgendetwas oder irgendjemandem darauf verzichtest. Nicht einmal wegen mir.«
Kapitel 2
G enau in diesem Moment beschloss Jana, sich nicht länger zu wehren. Sie fühlte sich schwach und verwirrt, der Kopf tat ihr weh, als werde er mit spitzen Nadeln durchbohrt, und Alex’ Gesicht war eine lächelnde Maske, die sie ansah, ohne sie wirklich zu sehen, unfähig, ihre Gefühle zu begreifen. Eigentlich verstand sie sie ja nicht einmal selbst. Sie wusste nur, dass sie alles darum gegeben hätte, davonzulaufen und diesen Raum nie wieder zu betreten.
Aber sie hatte kein einziges vernünftiges Argument für ihre entsetzliche Angst, also blieb sie, wo sie war, und sah Alex mit hilfloser Miene an.
»Das echte Buch steckt nicht in der Lehmskulptur.« Er deutete auf die Statue. »Für Archäologen oder Historiker ist sie bestimmt von großem Wert, aber in magischer Hinsicht ist sie nicht das, was ich erwartet habe. Ich muss schon sagen, ich bin enttäuscht.«
In Janas Augen flackerte ein Funken Hoffnung auf, erlosch jedoch gleich wieder, als Alex weitersprach. »Aber der Traum, der uns hierher geführt hat, war keine Täuschung«, sagte er mit leiser werdender Stimme. »Das hast du bestimmt auch gemerkt, Jana. Das Buch ist in diesem Raum, auch wenn wir es nicht sehen können. In diesen vier Wänden befindet sich etwas sehr Mächtiges – und auch sehr Gefährliches.«
Jana blickte sich um. Sie wusste nur zu gut, was Alex meinte. »Vielleicht ist es einer der alten Bände im Regal. Wir könnten sie uns ansehen.«
Anders als sie gedacht hatte, nickte Alex sofort. »Ja, am besten teilen wir uns die Arbeit auf: Du fängst mit den Büchern im linken Regal an, ich nehme mir das andere vor. Es ist hier, Jana. Es ist zum Greifen nah, das spüre ich.«
Mehrere Minuten lang sahen sie beide konzentriert die staubigen Bände auf den hölzernen Regalbrettern durch. Sie holten einen nach dem anderen heraus, blätterten vorsichtig darin und stellten ihn wieder an seinen Platz zurück, ohne recht zu wissen, was sie eigentlich suchten. In allen Büchern ging es um die Kabbala und Alchemie. Es waren hermetische Schriften, viele davon in Hebräisch oder Latein, die meisten aus der Zeit vor der Erfindung des Buchdrucks und deshalb von Hand geschrieben und mit filigranen Miniaturen verziert. Sie mussten von unschätzbarem Wert sein.
Aber Jana kam immer mehr zu der Überzeugung, dass es nicht das war, was sie suchten. »Könnte es … könnte es etwas Immaterielles sein?«, stammelte sie und sah aus den Augenwinkeln nach Alex.
Der hielt gerade ein schweres Manuskript in den Händen und blickte nicht einmal von den Pergamentseiten auf. »Ja, das habe ich auch schon überlegt. Theoretisch wahrscheinlich schon. Aber ich glaube, ganz egal, was es ist, der Text muss an einen materiellen Träger gebunden sein, sonst hätte ja niemand Zugang dazu.«
»Also eine Art Tür.«
»So was Ähnliches. Es könnte alles Mögliche sein, ein Symbol, ein Zauber, der an den Rand eines Buchs gemalt ist. Sobald wir es sehen, erkennen wir es. Vertrau deinem Instinkt.«
Jana stellte den schmalen Band, den sie gerade inspiziert hatte, ins Regal zurück und schüttelte skeptisch den Kopf. »Ich glaube nicht, dass es so leicht wird. Wir haben keine Ahnung, was wir eigentlich suchen. So ist es fast aussichtslos, das Richtige zu finden.«
»Was schlägst du
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